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Anna Pircher oder: Was Tennis-Jugendtitel wert sind, zeigt sich erst gegen die Großen

könig

Jubel, Trubel, Heiterkeit, vor allem aber euphorischer Vorschuss auf eine Tenniszukunft mit einem Himmel voller Geigen. Nicht nur, dass wir eine Lilli Tagger haben, die die Junioren-French-Open, sondern auch schon einige allerdings drittklassige Turniere gewann, sondern jetzt auch noch die  zwei Jahre jüngere Anna Pircher aus Tirol, die sich als erste Österreicherin zur U16-Europameisterin krönte. Tennis-Herzerl, was willst du noch mehr, ganz abgesehen davon, dass wir im Daviscup zu den Top-8-Nationen gehören seit dem Triumph in Debrecen gegen jene Ungarn, die allerdings post festum bei den Fernost-Turnieren um Eckhäuser besser spielen als unsere Helden von Ungarn. Aber das nur so nebenbei…

Wie gesagt, es darf heute gejubelt werden, als gäb´s kein morgen. Und eben da werde und will ich einhaken, auch wenn ich darob als Beckmesser, Kassandra, Nörgler und Negativist vom Dienst ins Abseits gestellt werde. Wäre es immer danach gegangen, was unsere Talente in (ganz) jungen Jahren versprochen hatten, dann hätten wir seit Jahrzehnten ja mehr als zwei Grand-Slam-Einzelsieger  – übrigens in einem Abstand von 25 Jahren – mit Muster und Thiem gehabt oder haben müssen. Das hat ja schon in den 70er-Jahren mit Hans-Peter „Jessy“ Kandler angefangen, der als Jugendstar auch Europameister wurde, aber letztlich nie über eine Statistenrolle im Tennis hinauskam, dafür aber ein tüchtiger Rechtsanwalt geworden ist.

Vergessen wir nicht, dass ein Markus Hipfl im US-Open-Juniorenfinale stand, ehe ihn Verletzungen schulterten. Und dass nach einer Doris Schuster im Jahre Schnee auch Tamira Paszek zweimal Junioren-Grand-Slam-Endspiele erreichte, als 16-jährige ein unbedeutendes Turnier in Porto Roz  gewann, ehe es mit ihr aus vielerlei Gründen bergab ging. Last but not least hat es Jürgen Melzer als Wimbledon-Juniorensieger 1999 (ein Jahr nach Federer, der aber ein Jahr jünger ist) im Einzel bei allem Respekt nur in ein Paris-Semifimale und damit in die Top 10 geschafft, dafür aber gleich mehrere Grand-Slam-Doppeltitel  (inklusive Junioren und im Mixed mit Ex-Frau Beneseova) mit verschiedenen Partnern gewonnen hat. Ohne Abwertung ist Doppel halt nur noch halb so interesssant, seit große Kaliber wie früher McEnroe etc. nimmer mitspielen.

Lob, wer Lob verdient hat und Ehre, wem Ehre gebührt, aber im Spitzensport entscheiden nicht noch so große Vorschüsse, sondern genau jene Jahre, in denen Mädchen zu Frauen und Burschen zu Männern werden, auf Neudeutsch die Transition oder der nahtlose oder unbewältigte Übergang vom Nachwuchssport (in dem körperliche oder auch mentale Vorteile der Unbekümmertheit zu Erfolgen verhelfen können) zu den Großen mit oft zu großen Erwartungen. Wir haben das ja zuletzt bei Joel Schwärzler erlebt, der selbst auf kleiner Turnierebene große Probleme hat, sein über alle Maßen  gepriesenes Talent auch auszuspielen. Und wir haben  das auch bei Lilli Tagger gesehen, obschon mit Bedacht gut aufgebaut von Ex-Paris-Siegerin Schiavone in Varese.

Wär´s anders, hätte ja der Star in spe nicht zweimal gegen die keineswegs überdurchschnittliche Auslandswienerin Sinja Kraus in ITF-Turnieren (Finale, Semifinale) glatt verloren. Darum ist auch bei einer noch viel jüngeren Spielerin wie Anna Pircher eher Vorsicht geboten. auch aus Rücksicht auf die Zwangsjacke von Erfolgen, in die sie automatisch gesteckt wird,  die jedoch auf höchster Ebene schwerer zu erreichen sind als bei der Jugend, für die weniger auf dem Spiel steht. Merks Tennis-Freak: Zu früh gefreut ist oft gereut…

PS. Ganz so, als hätte er meine Ausführungen bestätigen wollen, kassierte der allzu früh hochgejubelte Joel Schwärzler beim Braga-Challenger (Por) gegen den Mittelklasse-Kroaten Mikrut (Nr. 219) die nächste Erstrundenpleite ohne Satzgewinn – 6:7, 2;6. Welch Kontrast zu den allzu gewagten Aussagen auch des ÖTV- Sportdirektors beim Erste-Bank-Open vor zwei Jahren. Statt Himmelsturm gibt’s eher Höllenfahrt für den bald 20jährigen Vorarlberger, der links und rechts von gleichaltrigen und jüngeren Teenagern überholt wird…

 

 

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