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Beim Zeus, der vergoldete Novak Djokovic ist mehr als nur ein Tennisgott

Er streckte die ausgebreiteten Arme gegen den Himmel, ganz so, als wollte er mit dem lieben Gott auch den olympischen Göttern danken, dass sie ihn doch noch in den Olymp aufgenommen haben. Beim Zeus, so hätten die antiken Hellenen gesagt, es ist vollbracht, was noch zu vollbringen war! Was immer Novak Djokovic dann zu sich selbst im Augenblick des letzten fehlenden Triumphs geflüstert haben mag, das weiß ich nicht, vielleicht auch den Satz, sich selbst den Himmel auf Erden bereitet zu haben. Die sportliche Endstation Sehnsucht, von der er schon als Bub geträumt hatte, hat er erreicht. Jetzt, im biblischen Sportalter von 37 Jahren hat er das letzte fehlende Meisterstück mit einer meisterlichen Mentalleistung in sein einzigartiges, womöglich künftig unerreichbares Meisterwerk eingefügt. Der 24fache Grand-Slam-Rekord-Sieger, der 40 Masters und insgesamt nun 99 Turniere gewonnen hat, ist schlussendlich doch noch Olympiasieger!

Und wie noch dazu im Traumfinale oder auf Neudeutsch gesagt: Blockbuster-Duell mit seinem 16 Jahre jüngeren Wimbledon-Bezwinger und Publikumsliebling Carlos Alcaraz. Nur in zwei Sätzen, aber dafür in einem fast drei Stunden langen gnadenlosen, packenden, an die Grenzen der Substanz gehenden Schlagabtausch, in dem zweimal ein Tiebreak entschied – und in dem Djokovic zweimal dank seines unglaublichen Selbstbehauptungswillens und seines finalen Zielbewusstseins mit 7:6 (3), 7:6 (2) triumphierte.

Immer dann, wenn es schien, als würde der Serbe mit dem Rücken zur Wand stehen, immer dann, wenn ein Aufschlagverlust drohte, schüttelte der Joker ein Ass oder einen Winner aus dem Ärmel, als wär er der Jolly (D) Joker in Person. Wer da nicht den Hut zieht vor einem der erfolgreichsten und besten nicht nur Tennissportler aller Zeiten, der muss mit Blindheit geschlagen oder aber von Vorurteilen geleitet sein, die dem Tenniskönig seit Jahren vorauseilen oder nachgesagt werden. Und denen er mit seinem Dickschädel trotzte, obschon sich eine ganze Kamarilla gegen ihn verschwor. 

Auch wenn Djokovic mehr gewonnen hat als jeder andere, auch wenn er nach Steffi Graf, Andre Agassi, Rafael Nadal und Serena Williams (saß neben IOC-Boss Bach auf der Ehrentribüne) erst der fünfte Tennisstar ist, der jedes der Grand Slam-Turniere und dazu Olympiagold gewonnen, also den Golden Slam geschafft hat – kein anderer Tennisstar hat je die Geister so geschieden wie der Djoker. Wo immer er abseits seiner Heimat auch auftrat, dort war er höchstens zu 30 bis 40 Prozent, wenn überhaupt, das Herzblatt der Tennisfans, eher für die Majorität ein vorgefertigtes Feindbild vor allem des medialen Mainstreams, weil er kein Faserschmeichler war, sondern u. a. als Impfmuffel seinen Meinungen und Handlungen treu blieb. Auch auf die Gefahr, ausgesperrt, deportiert oder ausgeschlossen zu werden wie in Melbourne oder beim US-Open 2020. So schnell konnte er gar nicht schauen oder reagieren, schon war er die Zielscheibe der Kritik. Und vor allem  selbstgerechter Sportgerichte, die den Serben sowieso als Vorboten Moskaus betrachteten.

Wenn sie mich fragen, dann hat der eher hassgeliebte, zur unsympathischen, vom Ehrgeiz zerfressenen Figur stilisierte Djokovic auch daraus viele Kräfte und Energien bezogen, die seinen geradezu unbändigen Siegeswillen ebenso wie die unglaubliche Widerstandsfähigkeit zusätzlich gestärkt haben. Und womöglich auch die  traumatischen Kindheitserlebnisse, die sich bei ihm als Buben durch den und beim Balkankrieg eingeprägt haben – alles Erfahrungen, die (oft verwöhnte) Wohlstandskinder nie machen mussten…

Welch Stehaufmännchen Djokovic ist, das hat er nicht nur im Lauf seiner  einzigartigen Karriere, mit der er auch die Erzrivalen Nadal und Federer hinter sich ließ, immer wieder bestätigt. Anders als für manch andere (von vielen, aber nicht allen heimischen Sportlern gar nicht zu reden), gehörte in welcher der vielen Sprachen, die er spricht, das Sterben in Schönheit niemals zum Djokovic-Wortschatz. Nichts hätte das besser illustrieren können als der graue Kniestrumpf, den er nach der Aufgabe in Paris und dem operativen Eingriff auch bei der heutigen olympischen Krönung tragen misste, um überhaupt spielen zu können. Schlussendlich hat der Djoker den olympischen Fluch übers Knie gebrochen, um sich seinen Goldtraum auf die alten Tag zu erfüllen. Bewundernswert, mit welch Konsequenz er es vollbracht hat. Beim Zeus, er ist mehr als nur ein Tennisgott!

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