Was ich bisher an Spielen gesehen habe, dann ist diese Fußball-Euro 2024 die beste, die ich je gesehen habe. Nicht nur, aber auch der vielen Dramen wegen, der Euphorie und der Emotionen, der Jubelstürme wie der frustrierenden Enttäuschungen, die an den Gesichtern der Spieler, aber auch der Abertausenden an Fans abzulesen sind. Und es ist trotz aller taktischer Zwangsjacken, der meist engen Spielräume und der immensen Lauf- und Kampfstärke der Mannschaften bisher auch eine Europameisterschaft des Torspektakels mit einer einzigen Doppelnull, wenn ich mich auf die Schnelle nicht irre. So etwas hat´s schon lange nicht mehr gegeben.
Und diese vielen engen Matches auf Augenhöhe haben natürlich auch damit zu tun, dass sich die europäische Fußballwelt in den vergangenen Jahren immer mehr zusammengeschoben hat, was natürlich nicht von ungefähr kommt. Seit auch aus kleinen Ländern immer mehr öfter und immer mehr Legionäre in westlichen Profiliegen sogar mehrmals wöchentlich ihren Mann stehen und im täglichen, oft schweißtreibenden Training gestählt werden, plustern sich mit ihnen die Kleinen so auf, dass sie den üblichen Verdächtigen, sprich: den Großkopferten, im Ernstfall das Fürchten lehren.
Wie die Georgier, die bei ihrem EM-Debüt alles andere als Neulinge auftreten, sondern die Türken an den Rand einer Niederlage gebracht haben, ehe sie selbst fünf nach zwölf besiegt wurden. Wer gewettet hätte, dass die unterschätzten Slowaken (Bild links) die einstigen Weltranglistenersten aus Belgien schlagen wurde, hätte einen mittleren Jackpot knacken können. Und wer hätte, mit Verlaub, gedacht, dass die ehedem als Fußballprügelknaben eingeschätzten Albaner (Bild r.) gegen den Titelverteidiger Italien erst ein Blitztor und dann fast noch in letzter Minute jenen Ausgleich erzielen würden, der ihnen dann gestern gegen den WM-Dritten und Ex-Vizeweltmeister Kroatien doch noch gelungen ist. Und wer wei0, wie gut die Albaner erst wären, würden ihre Emigranten-Kinder Xhaka und Shaquiri für die alte und nicht die neue Heimat spielen, wer weiß?
Ja, die Perspektiven haben sich auch mit den (geo)politischen Entwicklungen verschoben. Stereotype Klischees und Vorteile in öffentlicher wie veröffentlichter Meinung allerdings haben sich nichtsdestotrotz hartnäckig gehalten Georgien, wer? Slowaken; wer? Albaner, wer? Ich bin mir fast sicher, dass die wenigsten Fans überhaupt wissen, dass sich Albanien als Gruppensieger vor Tschechien für die Endrunde qualifiziert hat – und unser nächster Gegner Polen in eben dieser Gruppe als Dritter in ein Play-off hat gehen müssen. Es ist, um ein Modewort zu gebrauchen, die neue Normalität des Fußballs, der einen bei dieser Europameisterschaft einfach packen muss. Sie hat bisher mehr gehalten, als gedacht, abgesehen davon, dass wir zum Auftakt verloren haben.
Für die einzigen Dissonanzen haben bisher – und ich wiederhole es bewusst – die Schiedsrichter gesorgt, deren Pfeife da und dort stumm blieb, wenn´s Spitz auf Knopf gegen Große ging. Und deren Videoassistenten auch manchmal offenen Auges gerne mal was gütlich übersehen – in der Regel rein zufällig immer zum Schaden der Kleinen, auch wenn sich die noch so ärgern (wie die Ungarn gestern). Aber auch das ist sozusagen Part of the Game in prall gefüllten Stadien oder in Public-Viewing-Areas, das Sommermärchen-Reprise heißt mit dem Untertitel: Millionen, seid umschlungen. Immerhin werden tolle Dramen im Stunden- und Tagestakt geliefert.