Heute ist Ruhetag Im Giro d´Italia, dem bedeutendsten Rundfahrtklassiker neben oder besser: vor der Tour de France. Zeit für die Giganten der Land- und Bergstraßen, um die unerhörten Strapazen der Königsetappe vom Gardasee hinauf ins immer noch ziemlich verschneite Livigno oberhalb von Bormio aus den geschlauchten Körpern zu schütteln. Selbst beim slowenischen Superstar Tadej Pogacar, der nach seinem Solo-Ritt zum vierten Tagessieg gestand, dass er im letzten Steilstück die letzten Reserven hatte mobilisieren müssen, um den für ihn maßgeschneiderten, auf ihn zugeschnittenen, perfekt ausgeklügelten Schlachtplan seines UAE-Teams auch in die Tat umzusetzen.
Schlachtplan, das ist das Stichwort, auf das ich hinauswill. Mittlerweile wird der erst 25jährige, einst zweitjüngste, inzwischen zweimalige Tour-de-France- und vor allem Seriensieger der Saison (Katalonien-Rundfahrt mit vier Etappensiegen, Lüttich-Bastogne-Lüttich, vier Giro-Tagessiege) zwar wie der unersättliche, legendäre Eddy Merckx fast ehrfürchtig und vielleicht auch zu Recht als Kannibale des Radsports bezeichnet. Aber bei all seinem Talent, all seinen entwickelten Qualitäten, bei all seinem Siegeshunger weiß keiner besser als der Slowene aus Klanec unweit der österreichischen Grenze, dass nicht von allem Anfang, sondern erst am Schluss der Stärkste am stärksten allein ist, wenn seine Adjutanten wie Sekundanten alles für die entscheidende Attacke im Duell mit den Gegnern vorbereitet haben.
Und das hat keiner deutlicher ausgesprochen als der aktuelle Giro-Gigant aus gutem Hause (Mutter Gymnasialprofessorin, Vater Verkaufsleiter), als er um den nach einem schweren Sturz angeschlagenen Felix Großschartner bangte. Jenen Felix aus Marchtrenk bei Wels, der mit dem Polen Rafael Majka der treueste Diener seines weit jüngeren Herrn im Team der Ölscheichs ist. Jener Felix, der selbst schon eine World-Tour (Türkei-Rundfahrt) gewonnen, zwei Top10-Plätze (9., 10.) in der Vuelta d´Espana, einen Zehnten bei Paris-Nizza und einen Zweiten in der Tour of Guangxi auf dem Konto hat, also wie Majka zum Establishment zählte, aber so selbstkritisch war, um zu erkennen, dass es noch eine Etage über ihm gibt.
Und darum war und ist sich Großschartner nicht zu schade, Größe (gegen gute Gage) zu zeigen, indem er sich kleiner macht, als er sein könnte. Sich höheren Team- und Tadej-Interessen unterordnet, sprich: sich als Lokomotive für den Kapitän und Seriensieger vor allem dann und dort vorspannen zu lassen, wann und wo bergauf ein exzellenter Klettermaxe wie er gefragt ist. Eindrucksvoll wurde das in der Giro-Königsetappe in der Eurosport-Live-Übertragung dokumentiert. Felix trat bis kurz vor dem Schlussanstieg in über 2000m und dementsprechend dünne Höhenluft kraftvoll bis zum Anschlag in die Pedale, um die Lücke zu Ausreißern in jenen Grenzen zu halten, die dem im Windschatten geschonten Pogacar den Ritt zum Gipfelsturm ermöglichte.
Bei allem Respekt vor dem Ausnahmekönner Pogacar, der heuer den seltenen Doppelpack Giro und Tour im Visier hat, die ganz Großen können auf die großen Kleinen im Radrennsport nie und nimmer verzichten. Und darum ist´s – nicht nur, weil es sich bei Felix Großschartner um einen Oberösterreicher handelt, also Patriotismus mit im Spiel ist – auch an der Zeit, einmal Loblieder auf jene wahrlich edlen, obschon gut honorierten Helfer zu singen, besser: zu schreiben, auf die das Wort Wegbereiter eher zutreffend ist denn das Wort Domestik, das etwas Unterwürfiges an sich hat.