Er hatte schon ausgeholt zu seinem zweiten Saisonsieg, den neunten auf der European Tour, ehe er am letzten Loch nicht nur den Sieg im Omega European Masters in Crans Montana verspielte. Ehrgeizig, wie er ist, wird sich der Burgenländer Bernd Wiesberger jetzt grün und blau ärgern, dass ihm just auf der Zielgeraden dieser Fauxpas passierte. Aber wetten, dass den Golf-Millionär Wiesberger weniger das mit Platz zwei verlorene Preisgeld stört, als die Gefahr, mit dem fatalen Doppel-Bogey im aller letzten Abdruck am Finaltag womöglich auch die große Chance vergeben zu haben, rotweißrote Golfgeschichte zu schreiben. Hätte Wiesberger gewonnen, hätte er sich auch im Race to Dubai, dem Tour-Ranking, nicht nur noch weiter nach vorn katapultiert, es wäre auch eine fantastische Empfehlung, wenn nicht sogar ein Vorschuss auf eine Nominierung für das Europa-Team im Ryder-Cup-Klassiker gegen die US-Amerikaner gewesen. Und glauben Sie mir – die größte Triebfeder vor allem für und bei Einzelsportlern, auch den Profis, sind Gold und Erfolg, aber nicht nur Gier nach Geld. Wer sich darauf versteifen würde, der wäre von vornherein so gut wie verloren. Mammon kommt mit Meisterleistungen, weil Geld allein keine Sieger macht.
Europa-Captain Padraig Harrington kennt alle Stärken des Crans-Montana-Pechvogels Bernd Wiesberger.
Was auch für Wiesberger gilt. Der inzwischen 35jährige Burgenländer aus Bad Tatzmannsdorf hat sich nach Dänemark-Sieg und folgender schwächerer Saisonmitte nicht nur mit dem Spitzen- und Podestplatz in Erinnerung gerufen, er hat – lassen wir einmal das fatale Finale außer Acht – im Ski- und Golfparadies im Wallis bei teils schwierigen Bedingungen und kniffligen Flaggenpositionen gezeigt, dass er Rückschläge wegstecken und ein Feld aufrollen kann. Auch das könnte sich noch als Trumpf im Talon erweisen, wenn der irische Europa-Captain Padraig Harrington zu den dank Ranking automatisch qualifizierten Golfern auch das Trio seiner Wahl nominiert.
Jedenfalls war nie zuvor ein österreichischer Golfer so nahe daran, sich direkt oder indirekt für das Ryder-Cup-Team zu qualifizieren, gleichbedeutend mit dem Ritterschlag für einen Profigolfer. Und das ist fast so viel wert wie ein Podestplatz bei einem der Major-Turniere vom US-Masters über die PGA-Championships bis zu den US- und The (British) Open. Erst recht, wenn man bedenkt, dass die Dichte der Weltklasse im professionellen Golf mittlerweile doppelt bis dreimal so groß ist wie im Tennis.
Nichts könnte das besser illustrieren als die Tatsache, dass in der Post-Tiger-Woods-und Phil-Mickelson-Ära die Sieger der Topturniere permanent wechseln. Der Einbahnzirkus hat ausgedient. Und wer weiß, vielleicht kann sich irgendwann auch ein Bernd Wiesberger oder auch ein Matthias Schwab, Sepp Straka, wenn nicht ein Talent wie Emma Spitz bei den Proetten unter denen einreihen, die nicht nur zum großen Schlag ausholen, sondern ihn auch vollenden. Immerhin hat es Bernd, der Crans-Pechvogel, in- und abseits der European Tour schon ein Dutzendmal bewiesen, dass er dazu fähig ist. Sag niemals nie.