Fast hätte ich es verschlafen, aber dann haben sowohl eine Teletext-Meldung als auch und vor allem mein Kolumnisten-Kollege und Freund Wolfgang Winheim der Erinnerung nachgeholfen. Kaum zu glauben für Leute unserer Generation, aber wahr: Hans Orsolics, geliebter, gefeierter, vom Leben und Schicksal geprügelter Boxheld der Ski- und Fußball-Nation, vollendet heute sein 75. Lebensjahr. Wie sehr hätte sich wohl sein lebenslanger Mentor, der ORF-Box-Doktor Sigi Bergmann gefreut, hätte er den Dreivierteltakt eines nicht nur „patscherten Lebens“ mit dem ebenso lebenslangen Stehaufmännchen zelebrieren dürfen. Sigi, zehn Jahre älter, ist leider kurz davor verstorben, der schon vor Jahrzehnten totgesagte Orsolics aber hat bisher alles überlebt, K.-o-Niederlagen, private und wirtschaftliche Rückschläge, Haftstrafen und sogar den Krebs, den er schon mehrmals besiegt hat.
Der Hansee, gelernter Rauchfangkehrer, dann jüngster Profi-Boxeuropameister der Geschichte, der den mehr als 13 Jahre älteren deutschen Titelverteidiger Conny Rudhof in der ausverkauften Wiener Stadthalle entthront hatte, war einfach gestrickt und gerade darum selbst als so etwas wie der Box-Ritter von der traurigen Gestalt eine einzigartige Figur, die von allen in jeder Gesellschaftsschicht ins Herz geschlossen wurde. Es mag schon stimmen, dass der gutmütige, gebürtige Burgenländer immer wieder von seiner Umgebung ausgenützt wurde, sportlich, menschlich ebenso wie finanziell – nicht zuletzt deshalb, weil er auf dem Weg zu einem Weltmeisterschaftskampf auch Wachs in den Händen mancher Mittelsmänner gewesen war, im Gegensatz zu manch kolportierten Meldungen aber am wenigsten von seinem Entdecker, Trainer-Manager-Mentor Karl „d´Händ´ auffi“ Marchart.
Es stimmt einfach nicht, dass man bei der Wahl des WM-Aufgalopps für den Champion Jose Napoles einen farbigen Eddie mit einem weißen Perkins verwechselt haben soll, weil es von diesem Format keine zwei Boxer gleichen Namens gab. Und Tatsache war auch, dass man den nicht mehr taufrischen, technisch exzellenten, aber alles andere denn gefürchteten K.-o-Schläger Perkins verpflichtet hatte, um … die älteren Semester wissen natürlich, was passiert ist, der Hansee dem Eddie in einen weit hergeholten Schlag lief, der ihn ins Land der Träume beförderte, wo auch der WM-Fight landete.
Ich will als ein Vertrauter mit den zumindest damaligen Box-Gepflogenheiten nicht weiter ausführen, was eigentlich hätte sein sollen, möchte aber darauf hinweisen, dass Eddie Perkins vertraglich weitere Wien-Auftritte zugesichert worden waren, von denen die Stadthalle dann einen auch erfüllte. Sei´s drum. Post festum hat´s ja sowieso keinem geholfen, am wenigsten dem Hansee, für den das 70er-Jahr der bittere Anfang eines hinausgezögerten Endes war, dass dann nicht mehr in Wien, sondern Berlin, nicht mehr mit Direktor Jungbluth und Trainer Marchart, sondern dem deutschen Pelz-Mogul Willi Zeller stattfand.
Was immer Hans Orsolics in der Karriere nach der Karriere versuchte und machte, das Glück ward zum Vogerl, das immer wieder davonzufliegen schien. Immerhin fand er nach vielen, vielen Enttäuschungen eine Frau fürs Leben, die ihm half, auch alle Nackenschläge zu überwinden. Trotz aller Fehler und aller Irrtümer, die so menschlich sind bei ihm, war und bleibt der Hansee ein Vorbild darin, wie man irgendwann irgendwie das Schicksal meistert. Sein 75er spiegelt auch ein Dreivierteljahrhundert an Menschlichem bis allzu Menschlichen. Herzlichen Glückwunsch, Oida!