Sorry, geneigte LeserInnen, wenn ich darauf verweise, dass außer den Insidern dieser Turner-Szene kaum jemand weiß, welch tolle Athleten es hierzulande in der späteren Nachkriegszeit gegeben hat. Sogar auch dann, wenn sie hin und wieder international aufgezeigt hatten wie vor einigen Jahren die Zimmermanns, Baldaufs, Leimlehners und andere. Ja, es gab auch Rhythmische Gymnastinnen wie Lisi Bergmann, wie Schielin, wie Weber, wie Ruprecht, aber dem Fußvolk geläufig waren sie alle nicht. Inzwischen aber haben sich die heimischen Kunstturner fast heimlich, still und leise an die Europa- bis Weltklasse herangepirscht, ohne dass es trotz wirklich guter Medienarbeit des Verbandes aus welchen Gründen immer medial nicht ernst-/wahrgenommen wird.
Dabei folgt sozusagen ein historischer Meilenstein des heimischen Turnsports dem nächsten, um das so spektakulär zu formulieren, wie es tatsächlich auch so ist. Als das Jugend-Talent Vinzenz Höck aus Graz im Vorjahr die historische erste (Silber-)Medaille an den Ringen bei einem Großevent wie der Universiade in Neapel gewann, da dachten noch viele, es hätte sich um eine Eintagsfliege am peripheren Turnfenster gehandelt. Aber Höck legte quasi nach, als er heuer als erster Österreicher auch einen Weltcupsieg feierte. Aber auch davon, so schien es, wurde kaum Notiz genommen, womöglich sogar deshalb, weil rundum alles zu sauber und skandalfrei war, die heutigen Ingredienzien des Juicy-Journalismus.
Sei´s drum. Zumindest in der Vorrunde der in Corona-Zeiten von der Türkei in der Millionenstadt Mersin an der syrischen Grenze (Höck: „Wir leben in einer Blase, wurden in Wien getestet, dort gab´s einen PCR-Test!“) organisierten Europameisterschaft ließen die sportlichen Artisten ihre Muskeln wie nie zuvor spielen, angeführt vom Herrn der Ringe Vinzenz, der punktegleich mit dem regierenden Weltmeister Colak (Türkei) die Höchstnote für seine Übung kassierte, als Zweiter des Gerätefinale der Top Acht erreichte. Nicht genug damit, schaffte es mit dem Allrounder Severin Kranzlmüller noch ein zweiter Turn-Österreicher mit einer perfekten Barren-Vorstellung ins Gerätefinale. Und dass es nicht mehr Einzelerscheinungen sind, die den Fortschritt in Rotweißrot dokumentieren, so turnte auch die Riege auf Platz 4 ins Team-Finale, notabene vor den Rumänen! Allerdings, das sei einschränkend gesagt, in Abwesenheit der einen oder anderen Top-Nation.
Trotzdem, der (Felg-)Aufschwung, nein: Doppelsalto vorwärts, geht von Jahr zu Jahr weiter – auch dank der Arbeit an der Basis, für die nicht zuletzt der engagierte Generalsekretär Labner ebenso wie der frühere Olympiaturner Leimlehner als Sportchef und die Trainer mit dem Tschechen Koudela und Co ihren Beitrag ohne Randale oder Kabale liefern. Nicht zu vergessen, dass sich ja auch schon mit Elisa Hämmerle eine Dame für Olympia qualifiziert hat, es mit Meisterin Männersdorfer eine zweite Klasseturnerin gibt, die auf Augenhöhe mit der Europa-Spitze ist. Aber wer sich etwas im Turnen auskennt, der weiß, dass es dort ein wenig zugeht wie einst im Eiskunstlaufen mit einer Jury, die da was sieht und dort Augen zudrückt, so ist es eben mit Preisrichtern, alles hat seinen Preis. Und ein kleiner Ausrutscher kann große Folgen haben im Finale, wenn alles gewagt wird, um Medaillen zu gewinnen. Aber allein die Vorrunde war eine Demonstration neuer Stärke, die anderen als Vorbild dienen sollte…