Ja, ja, die Papierform. Ein Papiertiger, nicht mehr, nicht weniger. Hätte es eines Beweises bedurft, dann stellt ihn Euro 2021 immer mehr bloß. Okay, beim 0:1 des Geheimfavoriten Dänemark gegen die Finnen gab´s ja mit dem Drama um Spielmacher Eriksen eine einleuchtende Erklärung, warum Ballbesitz nicht in zumindest ein Tor umgemünzt werden konnte. Aber diese Spielchen haben sich – zum Glück nicht für uns Österreicher – inzwischen da und dort wiederholt, am auffälligsten bei der Nullnummer der Spanier gegen Schweden, noch dazu im Sevilla-Heimspiel.
Je mehr Bälle hin und her geschoben werden, je öfter es wieder zurück geht, um von vorn zu beginnen, umso mehr können sich Defensivkünstler wie die Nordländer, aber auch Slowaken, Waliser bis zu den Mazedoniern formieren, blockieren und dann auch kontern. Alle, die TV-Moderatoren, Kommentatoren und Experten, waren fast schon konsterniert, dass die spanischen Ex-Europameister nicht um die Burg ins Tor treffen konnten, obschon sie doch so überlegen und auch die eine oder andere große Chance herausgespielt hatten. Wer aber der Wahrheit die Ehre gibt, der muss den Spaniern raten, auch nachträglich noch ganz fest auf Holz zu klopfen, dass ein Verteidiger-Pfosten-Billard vor und eine zweite, verpasst-verpatzte Riesenchance der Schweden nach der Pause sie noch vor einer Pleite bewahrt hatten.
Schweden jubelt mit Fans, Spanien-Teamchef Luis Enrique hadert, weil seine Elf dem Motto folgt: Knapp daneben ist auch vorbei.
Der von taktischen Tugenden und körperlicher Tüchtigkeit immer mehr diktierte, und leider immer mehr dominierende (Mannschafts-)Fußball engt erfolgreichen Angriffsfußball auch immer mehr ein, erst recht dann, wenn dabei nicht Vollgas gegeben, sondern eher aus Angst vor fatalen Fehlern in der Vorwärtsbewegung auf die Tempobremse getreten wird. Dieser unübersehbare Trend zum kompakten Team samt Teamwork macht es für jede Mannschaft umso wichtiger, wenn nicht notwendiger, den einen oder anderen Individualkönner zu besitzen, der aus einem Eintopf eine Delikatesse machen kann.
Bei allen bekannten Defiziten, die er mit sich schleppt, wäre unser aller Arnie, also Arnautovic, ein solcher Typ. Aber zu dieser Spezies gehören auch Spieler wie Gareth Bale, wie Sterling und wie der tschechische Leipzig-Legionär Schick, der das Herz und dazu auch die Präzision hatte, aus gut 40 Meter über den weit vor dem Kasten stehenden Schotten-Torhüter mit einem tollen Heber zu treffen. Diese Überraschungsmomente, die in keinen statistischen Rechnungen oder oft irreführenden Bilanzen vorkommen, machen das Phänomen Fußball aus. Und sie sind es schlussendlich auch, die alle noch so raffiniert ausgeklügelten taktischen Überlegungen durchkreuzen und mitunter sogar ad absurdum führen.
Darum wird auch, wie man so gerne sagt, von dieser Stelle um Fortsetzung gebeten. Alles, was nicht programmiert werden kann, macht den Fußball erst so schön und zum populärsten Sport, dem weltweit kein anderer das Wasser reichen kann. Darum soll die Papierform auch immer wieder Papiertiger bleiben.