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Hochgejubeltes Mittelmaß statt kritischer Analyse ändert nichts an der Alpin-Abwärtsspirale

Geradezu euphorisch wurde in Wengen der universelle Skikünstler Marco Schwarz bejubelt, weil er binnen 24 Stunden erst in der verkürzten Lauberhorn-Abfahrt auf Platz 6 gerast und dann im Slalom auf den 7. Rang getanzt war! Und so ähnlich spielte sich das vor den Augen der ehemaligen Slalomkanone und jetzigen ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober (Foto) bei den Speed-Damen auf der verdammt schnellen Karl-Schranz-Piste in Sankt Anton am Arlberg ab, wo zwei fünfte und neunte Super-G-Ränge schon als mehr als passable Resultate verkauft wurden. Insofern verständlich aus der ORF-Live-Perspektive, da der Küniglberg ja (s)ein Produkt nicht selbst kritischer oder so kritisch hinterfragen kann und darf, wie das eigentlich angesichts des enormen Investments an Personal, Material und Moneten seitens des Skiverbandes der Fall sein müsste.

Aber wo Analyse draufsteht auch im Insert, dort sollte auch analysiert werden, warum in anderen Ländern, die mitunter gar keine Skinationen wie das inzwischen von den Schweizern entzauberte Österreich sind, sich junge FahrerInnen viel besser und viel schneller entwickeln als hierzulande, wibei wir die Norweger und Eidgenossen einmal außen vorbeilassen.  Wie die Kroatin Ljutic, deren jüngere Schwester inzwischen auch schon aufzeigt. Wie Lara Colturi, die für Albanien fahrende Tochter der Super-G-Olympiasiegerin Ceccarelli aus Rom! Wie der Salzburg-Belgier Sam Maes, 22, der zwar oft „über den Häf´n“ fährt, aber in Wengen  zur Halbzeit mit Nummer 62 auf ruppiger Piste auf Platz 26 gecarvt war, ehe ihn unterwegs zur zwischenzeitlichen Führung ein Kapitalfehler weit zurückwarf. Wenn  andere mit weniger Geld, aber auch weniger Hype und Druck das können, warum haben wir diese Qualität verloren? 

Ja, wo sind sie nur geblieben, die jungen, erfolgshungrigen, nimmersatten und nicht vorzeitig saturierten Alpinburschen und Alpinmädchen, die unerschrocken und selbstbewusst das Establishment herausfordern? Man muss doch nur an die Nebenfronten schauen, weil man dort oft niederschmetternde ÖSV-Resultate kopfschüttelnd registriert wie zuletzt beim Europacup-Slalom der Damen in Possa di Fassa (Fassatal), wo es ganz finster aussah mit einem kurzen Lichtblick, genauer gesagt: einer Halbzeitbestzeit einer gewissen Lisa Hörhager, die aber im Finale als letzte heimische Hoffnung unter den Top 30 ausschied. Und heute im zweiten Slalom die beste ÖSV-Jung-Dame war auf – kein Witz! – Platz 25! Wer das hochrechnet, der kann sich ausmalen, dass die Talsohle offenbar noch lange nicht erreicht ist.

Da die alpinen Aushängeschilder aktuell nur im Verborgenen blühen, kann der Skiverband nicht dem lieben Gott, aber den oft herabschauend betrachteten Schanzen-Amazonen a la Pinkelnig, dem Adlerhorst von Andi Widhölzl, den nordischen Kombinierern um Weltmeister Lamparter, den Brett-Akrobaten auf Pisten wie Hügeln, dem Ski-Crosser Graf aus dem Ländle, der Loipenjägerin Lisa Theresa Hauser aus Kitzbühel und der Präsidententochter Teresa Stadlober danken, dass es summa summarum doch noch mehr Siege und Topresultate gibt als die zwei einzigen Saisonerfolge bei den Alpinherren.

Ja, so schaut die brutale Wahrheit aus, mit der die ÖSV-Führung just vor der medial omnipräsenten Kitzbühel-Woche, aber auch, was man nicht verschweigen sollte, vor der dadurch auch eher unbeachteten Junioren-WM in St. Anton konfrontiert wird. Es ist eine Woche, die Ski-Österreich einen Spiegel vorhält, wie mehr oder weniger gut es um die Gegenwart bestellt ist – und worauf wir uns gefasst machen müssen, wenn es keine radikale Trendwende gibt. Aber da es ja wie schon in Wengen demnächst auch bei uns den echten Winter mit echtem Naturschnee hereinschneien soll, stirbt dem geflügelten Wort nach die Hoffnung in der Tat zuletzt. Oder etwa doch nicht …?

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