Als Südtiroler Bub aus Innichen im Pustertal hatte er zwar so nebenbei schon als Dreijähriger hin und wieder auf Tennisbälle gedroschen, vernarrt aber war der Dreikäsehoch in Ski und Schnee. Ein zweiter Innerhofer wäre er am liebsten geworden, der sozusagen bei ihm ums Eck nahe Bruneck daheim ist. Ja, er war sogar italienischer Vizemeister im Riesenslalom bei den Schülern, ehe ihn sein Tennislehrer überredete, lieber den ungefährlicheren weißen Sport zu wählen.
Was aus ihm als Pistenartist geworden wäre, steht in den Sternen. Als Tenniskomet aber hat der mittlerweile 22 1/2jährige Jannik Sinner inzwischen längst nach ihnen gegriffen. Mehr noch, er ist seit einigen Monaten als Nonplusultra ein leuchtender Fixstern der Szene: Daviscup-, Melbourne-Grand-Slam- und seit Ostern auch Miami-Masters-Sieger, womit er auch den spanischen Wunderwuzzi Alcaraz vom zweiten Platz der Weltrangliste verdrängt hat. Und dem zuletzt schwächelnden Djokovic im Nacken sitzt.
Die statischen Zahlen nicht nur des aktuellen Tennisjahres sprechen für ihn, man muss sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Der knapp 1,90m große Sohn eines Kochs und einer Kellnerin, die inzwischen daheim das Haus Sinner führen, eine Südtiroler Pension, hat heuer bei 22 Siegen nur ein Match verloren, drei Turniere gewonnen und ein Preisgeld von knapp 4 Millionen Euro kassiert, in seiner Karriere bei 211 Siegen gegen 75 Niederlagen schon mehr als 21 Millionen, nur an Preisgeld und ohne immer höher dotierten Verträge, versteht sich. Gut gebrüllt, Südtiroler Löwe (Sternzeichen).
Es hat sich also ausgezahlt, dass er als Teenager quasi Beruf, Berufung und auch das Domizil wechselte, weil er von der knapp zehn Kilometer entfernten österreichischen Grenze nach Bordighera an die Riviera die Fiori ins Piatti-Trainingscamp übersiedelte. Einer, der ihn ebendort schon als Teenager beobachtet und gleich erkannt hatte, welch Potenzial im Buben steckt, war der frühere Tschechen-Spitzenspieler Tomas Smid, der nicht nur als Doppel-Dominator auftrumpfte, sondern auch ein toller Einzelspieler war, nur geplagt von vielen Verletzungen.
Wie auch immer, Sinner wurde sorgsam via Future-, Challenger- und kleineren ATP-Turnieren aufgebaut, teils auch über Qualifikationen, um immer mehr in die Rolle eines hochtalentierten, universellen Favoritenschrecks hineinzuwachsen, der dem Establishment den Marsch blies. Schon vor knapp fünf Jahren (2019) hatte Sinner als bisher jüngster Star der Zukunft das Next-Generation-Turnier in Turin gewonnen – ein Vorschuss, den er längst als erster italienischer Grand-Slam-Sieger seit Adriano Panatta in den 70er-Jahren (1976) eingelöst hat.
Jetzt steht der Rotschopf mit Wuschelkopf, den das Käppi zudeckt, auf dem Sprung zur absoluten Nummer 1, die auf alles, was Gegner auspacken und versuchen, meist eine noch bessere Antwort hat. Wie der nur anfangs ebenbürtige Miami-Finalgegner Grigor Dimitrow, der an dem Südtiroler im Endspiel zerbrach. Nicht zuletzt auch Verdienst des erst seit einem guten Jahr e engagierten Ex-Agassi, Ex-Halep-Coaches Darren Cahill, der Sinner den optimalen Feinschliss eines Topstars verpasste.
Auch wenn Jannik aus einer waschechten Südtiroler Familie stammt, auch wenn er beim Wien-Sieg nach der englischen ATP-Pflicht gemeint hatte; Mia sein in Wien, da kenn´ ma ja Deitsch reden, so haben ihn die Italiener quasi mit Haut und Haar vereinnahmt, der nach dem Australian-Open-Triumph erst alle Italienischen Polit- und Staatsempfänge durchlaufen musste, ehe ihn die schin vergrämten Pustertaler hochleben lassen konnten. Dafür können wir, da ja die Grenze so nah ist, in der Post-Thiem- und Post-Muster-Ära mit diesem verlorenen Stiefsohn mitjubeln. Wie die Dinge angesichts der Sinner-Jugend liegen, wohl noch ziemlich lange…