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Nachruf auf Baldur Preiml, revolutionärer Geburtshelfer der Adler

Baldur Preiml im Alter von 85 Jahren gestorben. Eine Meldung, mit der viele junge Kollegen womöglich wenig bis nichts anfangen können, weil sich der immer introvertiertere Preiml seit Jahren fast total aus der (Sport) Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Dabei war der Kärntner aus dem Malta-Tal eine der bedeutendsten, geradezu historischen Figuren, die nicht nur, aber vor allem das Skispringen so revolutionierte, dass er es von der Vor- und Nachkriegs-Pionierzeit durch persönlichen Einsatz und gegen viele Widerstände in die Zukunft führte, die bis in die Gegenwart reicht.

Der Baldi, wie man ihn rief, hatte sich schon zu seiner aktiven und Studentenzeit (Sport, Geschichte) von der Konkurrenz abgehoben mit seiner etwas fortschrittlicheren Ausrüstung, etwa dem Lederhelm, den er unter anderem auch als Bischofshofen-Sieger und Olympiadritter von Grenoble-Autrans zur Schau trug. Als der Stams-Professor Preiml nach der Bradl- und Golser-Ära die rotweißroten Skispringer übernahm, waren diese durch schwache Resultate  in der Fernsehgunst bereits so tief gefallen, dass es selbst von der Vierschanzentournee keine Live-Übertragung mehr im ORF gab, sondern nur noch eine versetzte, abendliche  Zusammenfassung.

Und schon gar keine Hintergrundgeschichten, dass sich Preiml seit Monaten die Füße wund lief bei Ausrüstern, denen er in den  Ohren lag, um altes längst überholtes Material gegen neue Ski, Schuh, Bindungen, Anzüge und Leder- oder Gummihelme statt Mützen oder Hauben, also alte Hüte,  zu tauschen. Da und dort gab´s kalte Füße, aber einige ließen sich vom Baldi mit dem Hinweis auf die Werbewirksamkeit überzeugen wie Pepi Fischer, später auch Patriarch Franz Kneißl, und Hosenspezialist Sepp Rainalter.

Niemand hätte es davor geahnt, dass am denkwürdigen 30. Dezember 1974 trotz eines fatalen Sturzes von Wunderkind Innauer und des weniger heftigen des Kärntners Karl Schnabl der Steirer Willy Pürstl vermeintlich sensationell den Auftakt der Vierschanzen-Tournee gewinnen würde, dem drei Triumphe des späteren Olympiasiegers Schnabl und der Gesamtsieg von Pürstl folgten. Von Oberstdorf weg wurde nicht nur alles live übertragen, das vorwiegend alpine Skivolk saß gebannt vor den TV-Geräten, als zu aller Gaudium die DDR-Springer und andere Schanzengiganten besiegt, nein: gedemütigt wurden. Und genau damals wurde der Begriff Adler geboren, der heutzutage grenzübergreifend immer wieder und noch immer Saison hat. Dank Preiml.

Da wie dort wurde Preiml, der sich als gleichgesinnten Kumpanen auch den genialen Physiotherapeuten Willi Dungl ins Team geholt hatte, alternierend als Wundertüte, Wunderling und sogar Schwindler hingestellt, bei dessen Erfolgen  es nicht mit rechten Dingen zugehen würde. Ja, er benützte auch Wünschelruten und vor allem alternative Methoden wie das psychoregulative Training a la Schellbach. Kein Hokuspokus, sondern eine Sportpsychologie, die die Gegnerschaft so verunsicherte, dass sie gegen Preiml und sein Team wie Waidwunde ständig „sächsischen“ Sturm mit SED-Günstlingen liefen. Vergebens, denn Skispringer, die neben den Schanzen in Decken eingewickelt auf Liegenstühlen die UV-Strahlen genießen, ließen sich schwer verbieten…

Unter Preimls Regie wurde alles gewonnen, was man gewinnen konnte, das bei Olympia 76 in Innsbruck von Schnabl besiegte Zornbinkel Innauer holte Gold nicht nur vier Jahre später nach, er war schon 1976 in Oberstdorf mit 5xTraumnote 20 über 170m und danach zum Weltrekord von 176m geflogen, selbst die  Norweger feierten Toni nach dem Holmenkollen-Triumph als neuen Skigott Ullr. Der Mann, der dahinter stand, der auch erkannt hatte, dass gesunde Rivalität von Ebenbürtigen (Innauer-Schnabl, Pürstl/Neuper-Kogler, Vettori-Felder, Goldberger-Rathmayr, Morgenstern- Schlierenzauer usw) das beste Rezept für aufgeschaukelte Qualität ist, das war der Wunderwuzzi Baldur Preiml, seines Zeichens Magister.

Der akademische Praktiker war ein Mann der Front, aber kein Apparatschik, zu dem ihn die Politik machte, die ihn als Sportsektionschef nach Wien geholt hatte, dort war und blieb Preiml ein Fremdkörper, der nicht eingeweiht war in die Spielchen der Beamten. Er hätte gerne unseren (Spitzen) Sport revolutioniert, allein dem Revoluzzer wurden die Hände gebunden, bis er resignierte.

Von da weg zog sich der emeritierte Beamte erst auf den Weißensee zurück, um dort Referate und Seminare zu haten, später nahe seinen Ursprüngen zwischen Millstatt und Malta. Zuletzt war´s ganz still um ihn geworden. Jetzt ist seine Stimme, schon lang nicht mehr gefragt und gekannt, für immer verstummt. Bei den einstigen Schülern, die alle auch im Leben nach der Sprunglaufbahn eine Karriere gemacht haben, sieht man die humanen bis kademischen Spuren, die Preiml hinterlassen hat. Baldi, leb wohl, R. I. P..

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