LIVE MIT JOE METZGER

Ob Thiem, ob Bullen: Verpasste Chancen lassen sich nicht in moralische Siege verwandeln

Man kann über Boris Bobele Becker denken wie und was man will, aber als sechsfacher Grand-Slam-Sieger weiß er natürlich, wie der Sport funktioniert und erst recht, wie (Einzel)-Spitzensportler ticken. Ohne Kopf gibt´s kein „Hand und Fuß“ im Tennis. Das hat er bei der Wien-Stippvisite sehr plausibel erklärt und genau das hat sich in Wien mit Thiem und in Basel, wohin er zum Erstrundenduell seines neuen Schützlings Holger Rune gedüst war, binnen weniger Stunden bestätigt. Leider für uns, die Erste Bank Open und Domi da, gottlob für BB, Rune und Basel dort.

Als das Thiem-Duell mit dem Griechen Stefanos Tsitsipas wieder einmal auf des Messers Schneide stand, mehr noch: als er sich Vorsprung, Vorteile und Breakchancen erarbeitet hatte, traf er stets die falschen Entscheidungen! Da konnte er noch so mit sich hadern, noch so den Frust herausschreien, ihm ist das Gefühl abhandengekommen, welchen Ball er in heiklen Situationen spielen muss.

Und diese Selbstsicherheit kann man auch im besten Drill nicht üben oder gar lernen, die wird im Hinterstübchen wie eine Geheimwaffe gespeichert. Wenn sie im Ernst- und Notfall nicht mehr da ist, dann kann man sie nicht auspacken. Das hat nichts damit zu tun, dass Thiem( wie nicht nu Boris sagt, sondern andere Experten), das Tennisspielen nicht verlernt hat, hingegen diesen mentalen Unterschied, der – Becker hat´s betont – den Unterschied zwischen Siegern und Verlierern ausmacht.

Und das hat sich an diesem Sportabend nicht nur im Tennis abgespielt, sondern – wieder zu unserem Leidwesen – auch beim Duell der mehrheitlich Salzburg-Jungbullen beim Vorjahrsfinalisten Inter (ohne den verletzten Arnie) im Mailänder San-Siro-Stadion. Ja, hätte der zuletzt in der Liga so gebeutelte, fast desolate Serienmeister seine beiden Topchancen in den ersten 12 Minuten genützt, hätte der VAR den Schiedsrichter aufgefordert, den glasklaren Elfer zu pfeifen, als gleich zwei Salzburger im Strafraum niedergerissen worden waren … da wie dort ein klassischer Fall von Hättiwari, der aber, Selbstmitleid hin oder Gejammer her, nichts mit Gegenwartsrealität und Vergangenheitsbewältigung zu tun hat. Tore, die man nicht schießt, die bekommt man am Ende…

Auch Thiem, der als letzter Österreicher just am sogenannten „Thiems-Tag“, auch eine Erfindung von vorgestern, im Einzel ausgeschieden ist, wird sich damit auseinandersetzen müssen statt gebetsmühlenartig zu sagen, das Positive aus der Niederlage mitzunehmen. Und wenn Barbara Schett nach dem Motto: Servus TV-Konsumenten, wes Brot ich ess´, des Lied ich sing, den Domi noch so lobt, so ändert es nichts an einer noch so knappen Niederlage, die man nicht in Siege umwandeln kann. Ich kenne Thiem-Coach Ebrahimhzadeh, der in der Mouratoglou-Akademie als Trainer tätig war, nur aus Berichten aus zweiter oder dritter Hand.

Mit einigem Interesse aber hab´ ich verfolgt, dass sich der Jung-Däne Rune von Mouratoglou getrennt hat, um Becker als neuen, mit heiklen Situationen vertrauten, ehemaligen Grand-Slam-Sieger zu holen.  Und ganz so, als hätte er folgsam das Boris-Credo erfüllt, „dass man ein Match immer zu Ende spielen muss mit allem, was man hat“, drehte der Jung-Twen in Basel das Duell mit dem früheren Kitzbühel-Sieger Kecmanovic noch um, gewann nach 1:6 und 3:4 noch 7:5, 6:3. Alles nur Zufall, oder was? Oder doch erste Probe aufs Exempel dessen, was Boris gesagt hat? Spätestens 2o24 werden wir´s wissen. Da wie dort..

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