Wenn von Migrantenkindern im heimischen Sport die Rede ist, dann denkt man in erster Linie an Alaba, Arnautovic, Dragovic oder Junuzovic, also an den Fußball, vielleicht auch noch an Kampfsportarten wie Judo oder Boxen, auch wenn unser aller Hansee, der legendäre Orsolics, in kakanischer Nachfolge aus dem Burgenland stammte. Dass aber Blutauffrischung aus anderen Regionen, Ländern und Mentalitäten auch unserer Wintersport- und nicht zuletzt der gebeutelten Ski-Szene wie Ski-Seele alles andere denn schaden, sondern guttun kann, das hat sich nicht nur dieser Tage höchst spektakulär gezeigt und wird sich womöglich in naher Zukunft noch weit mehr offenbaren.
Wie schon das Beispiel des Weltcuprekordsiegers Marcel Hirscher signalisierte, Sohn eines kernigen Hüttenwirt- und Skischul-Papa namens Ferdl und seiner Tulpen-Mama, so scheint das Oranje-Gen gerade im Schnee nicht einzufrieren, sondern erst so richtig aufzutauen, mehr noch: tolle Blüten zu treiben! Abgesehen davon, dass die Holländer zu dem besten Touristengästen unseres Fremdenverkehrslandes zählen, muss schon was dran sein, dass holländisches Blut in unseren Adern oder dank unserer Berg- und Höhenluft auf sportlichem Weg besonders gut gerinnt.
Wär´s anders, wäre ja nicht aus Mika Vermeulen (Foto ÖOC), dem Sohn von Oranje-Loipenfreaks, die von den heimischen Hügeln und Dünen in die Ramsau am Dachstein auswanderten, zunächst ein veredelter Juniorenstar in der Nordischen Kombination geschlüpft, der sich inzwischen zum rotweißroten Stern am Langlaufhimmel ausgewachsen hat. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, musste der gute Mika, vom Zungenschlag „a Stoasteira“ durch und durch, den er in Interviews nicht leugnen kann, aber einiges von der gemütlichen österreichischen Mentalität samt Wohnsitz Ramsau abstreifen, um In der Olympiastadt Lillehammer der Loipen-Fährte der überlegenen Norweger zu folgen.
Zielbewusst, abgeschlankt, aber so erfolgshungrig, dass er drauf und ran scheint, den großen Vorbildern wie Klaebo, Krueger, Golberg, Amundsen und Konsorten die Butter vom Brot oder den Platz am Podium zu nehmen. Wie in Canmore, auch ein früherer Olympia-Schauplatz, wo er als Dritter dort anschloss, wo der danach von Dopingskandalen gebeutelte heimische Langlaufsport vor einem Vierteljahrhundert einmal gewesen war. Damals, als er noch nicht oder gerade geboren war als Holländerbub in der Wiege des Alpenskilaufs rund um den Dachstein. Eine fast schon märchenhafte Geschichte wie aus dem Bilderbuch.
Ja, tu felix Austria, deine Holländer. Nicht mehr fliegende, sondern laufende, aber auch kurvende Töchter, in denen Oranje- oder sonstiges fremdes Blut fließt. Wie bei zwei der größten ÖSV-Alpinhoffnungen, die aus dem Ländle und aus der Hahnenkammstadt Kitzbühel kommen. Die eine trägt den beziehungsvollen Siegesvornamen Victoria und heißt nach ihrem Vater (eventuell burischer Herkunft) aus Südafrika ganz anti-alemannisch Olivier – und hat sich zuletzt bei der Junioren-WM in Hochsavoyen in der Abfahrt vergoldet. Die andere, noch etwas jünger, hat beide Elternteile in ihrem Namen vereint, Rings von Mama, Wanner vom Papa, der auch in Australien seine Skispuren hinterlassen hat. Valentina, so heißt der noch 18jährige Teenager, der mit hohen Nummern bei der Junioren-WM zweimal weit nach vorn gefahren war (4., 9.) aber auch im Europacup schon mehrmals als eine der besten Jungösterreicherinnen gezeigt hat, dass sie den Großen mitunter schon auf den Fersen ist.
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Golden Girl Victoria Olivier, Kitz-Sternchen Valentina, Loipensensation Vermeulen.
Wie gesagt, Blutauffrischung kann nicht schaden. Zurück bleibt trotzdem die Frage, warum wir hierzulande nicht auch aus dem Fundus der oft in den Sport vernarrten Migranten-(Enkel)-Kinder aus Ex-Jugoslawien das eine oder andere Ski-Talent herauspicken und so aufbauen, wie es die vor etwa 30 Jahren im Skilauf noch unbeschriebenen, inzwischen auch nach der Kostelic-Familie auftrumpfenden Kroaten ohne hohe Berge schaffen. Es muss nicht immer nur Fuß- und Ballsport sein, dem die Kinder vom Balkan oder aus dem flachen Flachland nachlaufen oder Türen einrennen.