Verblüfft. Überrascht. Beeindruckt. Da bleibt die Spucke weg. Oder auf gut Wienerisch gesagt: Da bist einfach baff! Ja, auch der Kitzbühel-Vorjahrssieger Sebastian Baez muss mehr als baff gewesen sein, dass unser Sebastian, also „Ofi“ Ofner, nach zwei klar verlorenen Sätzen wie schon in der ersten Runde auferstand, um in einem erbitterten Schlagabtausch über fünf Sätze und reine vier Spielstunden bis an die Krampfschwelle mit 6;4, 7:5 und 7:6 (Match-Tiebreak 10:5) die Oberhand zu behalten.
Mit einem Bein war er in der 1. Runde fast draußen, in der zweiten mit dem zweiten Bein, jetzt steht Ofner mit beiden Beinen in der dritten Runde der French Open, womit er einen Großteil der Vorjahrspunkte für das Achtelfinale wider Erwarten, aber mit umso größerer Anerkennung bis Bewunderung verteidigt hat. Und wer weiß, ob er dann, wenn er noch genug Sprit im Tank hat und über genügend mentale Kraft verfügt, nicht auch die nächste Hürde nehmen kann. Ob der Franzose Moutet oder der russische Kasache Shevchenko, den er seit Jahren als ehemaligen Bresnik-Schüler aus der Südstadt kennt – der eine wie der andere sind in seiner Reichweite und gleichen Kategorie.
Was Kampfkraft und Willensstärke betrifft, Überlebensinstinkt und Widerstandsgeist, so hat sich in der Thiem-Erbfolge der zwei Jahre jüngere Steirer aus Bruck an der Mur nicht nur vom Ranking her als neue Nummer 1 im Lande mehr als bestätigt. Und welch Energiebündel im neuen Hero der Tennisnation steckt, das hat er jetzt mehrmals auf der ganz großen Bühne gezeigt, notabene unter höchstem Druck und mit dem Rücken zur Wand. Mag schon sein, dass er bei weitem nicht so talentiert war und ist, wie man das seinem Freund und Thiem-Team-Kollegen nachsagt. Aber was Sebastian Ofner aus den angeblich beschränkten Mitteln – wenn diese These überhaupt stimmt, die an Vorurteile bei und über Muster erinnert – alles schon gemacht hat, dann kann man ihm nur dazu gratulieren.
Den zweiten Fünfsatzsieg nach einem 0:2-Rückstand macht besonders wertvoll, dass er trotz einiger vergebener Chancen diszipliniert seine Taktik durchzog, um den kleinen, flinken, ballsicheren Argentinier noch dazu auf einem langsamen, regenfeuchten Sandplatz mit dessen Waffen zu schlagen. Arbeitssiege hin oder her – wer es schafft, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, um fast verlorene Matches zu gewinnen, dem ist nicht alles, aber weit mehr zuzutrauen, als an gedacht hätte. Ofner verkörpert mittlerweile das Zitat, das da heißt: Waidwunde sind doppelt gefährlich. Erst recht, wenn sie Lunte riechen. Ja, da kann man schnell baff sein…