Oh Madonna! Welch Geschichten ranken sich doch um diesen Ort zu Füßen des Adamello-3000er-Massivs von großen Siegen und verhinderten Tragödien, siehe Hirscher, siehe angestürzte Drohnen-Kamera! Wer Madonna sagt, der meint auch Alberto Tomba „la Bomba“, den größten, witzigsten, charismatischsten italienischen Skistar, den es je gab. 35 Jahre, jawohl 35 Jahre ist´s her, dass der Millionärssohn aus einem Vorort von Bologna hier sein erstes von 50 Rennen gewann, damals drei Tage nach seinem 21. Geburtstag. Diesmal findet der Slalomklassiker zwei Tage nach dem 56. Geburtstag von Tomba, als Bomba längst entschärft, statt.
Ob er auch heuer und heute einem seiner Schicksalsorte wieder die Ehre gibt, kann ich nicht sagen, weil ich nicht vor Ort bin wie ehedem. Schön wär´s, wär´s der Fall, weil Tomba zu jener Sorte von sportlichen Superstars zum Angreifen gehörte, die inzwischen fast schon ausgestorben ist. Ja, Alberto war nicht nur als echter Italiener, nicht nur als Flachländer vom familieneigenen Schloss in den Weinbergen zwischen Bologna und Imola, nicht nur als Bello, zu Deutsch Feschak, ein Unikat, wie man es vordem nie erlebt hatte. Er verstand fast alles, sprach aber Deutsch nur in Brocken, die er mit ebensolchen in Englisch, Französisch oder eben Italienisch zu einem Kauderwelsch mischte, das dann meist Robert Brunner, sein leider viel zu früh verstorbener Adjutant aus Südtirol, der später dann dem ÖSV diente, den Medien übersetzen musste mit den Worten: „Der Alberto hein´d g´sagt …“ Unser Roberto wusste, was er sagen konnte und durfte – und was er besser verschweigen musste. Schließlich war Tomba alles, nur kein Kind von Traurigkeit, der auch gern abends mit einem Gläschen Roten anstieß…
Warum ich diese verspätete, des Madonna-Rennens halber aber aktuelle Geschichte wieder aufwärme? Weil ich bei allem Interesse am alpinen Skirennsport solche Ausnahmenpersonen, solch mitunter auf ihre Art spektakuläre Hauptdarsteller vermisse, die über den harten Kern der Skifans hinaus auch andere Schichten und alle Altersgruppen mit ihrer Eigenart ansprechen. Ja, wo bitte vielmals, sind denn heutzutage diese charismatischen Figuren wie ein Tomba, quasi sein eigenes Sprachrohr, wie Marc Girardelli, vom Trotzkopf und Rotzbuben zum Mehrfach-Weltmeister und Weltcupsieger gekurvt, wie ein Hermann Maier, der so etwas wie einen nicht unterzukriegenden Pistenkrieger verkörperte, dieser Nimmersatt, dem der Erfolgshunger aus den Augen leuchtete. Wie ein Disco-Freak und Pisten-Traumtänzer a la Bode Miller. Oder aber eine Lindsey Vonn, die im wahrsten Sinn des Wortes (sich) immer wieder auszog, um das Interesse an sich und Skisport anzuziehen. Bei Maier und Co War noch alles fesch, bei Hirscher nur noch cool.
Ja, kühl bis ans Herz, aber wenig, das unter die Haut geht. Was im neuen Überflieger Marco Odermatt steckt, ob er in dieser Hinsicht auch Potenzial hat, lässt sich schwer abschätzen, weil er vorderhand erst etwas vom Laus- und Spitzbuben an sich hat. Wenn Sie mich fragen, dann gibt´s – wer weiß vielleicht auch der Hundertstelkrimis wegen – einfach viel zu viele Kadetten, die ihre Programme mehr oder weniger gut und mit mehr oder weniger Echo abspulen. Zu viele austauschbare Sportler an zu vielen austauschbaren Orten und Rennstrecken, die mit Anekdoten und Histörchen, mit Triumphen und Tragödien, mit aufgehenden Sternen oder Götterdämmerungen verbunden sind. Es ist das Salz in der Suppe, das fehlt. Ein Königsreich für neue Tombas, Maiers, Millers das ist man versucht zu sagen. Auch wenn Charismatiker nicht vom Himmel fallen, so würd´s mehr Sinn machen, sie zu suchen, zu entdecken und zu formen, als interne Machtspiele und externe Kämpfe um FIS-Präsidenten und andere Ungereimtheiten oder Imponderabilien …