Eigentlich hätte sich dieser Blog mit den Spekulationen um ein Hirscher-Comeback beschäftigen sollen. Aber dann kam eine andere, traurige Nachricht dazwischen. Otto Baric, die unverwechselbare, unglaublich erfolgreiche Trainerlegende, ist tot. Ob er an Corona oder einer anderen Krankheit im 88. Lebensjahr in seiner Heimat Zagreb gestorben ist, das tut nichts mehr zur Sache. Die einzigartige Persönlichkeit, die wiederkehrenden Redewendungen, die ganz spezielle deutsche Ausdrucksweise, die Anekdoten und Histörchen, die sich um ihn rankten, sind ebenso in die (veröffentlichten) Annalen eingegangen wie die errungenen oder knapp verpassten, mitunter historischen Titel auf nationaler wie internationaler Ebene. Auf die kürzeste Kurzform komprimiert, ließe sich das Gesamt(kunst)werk Baric in ein einziges Wort zwingen oder bringen: Maximal!
Ja, wer Baric meinte, der sagte: Otto Maximal. Und das traf zu jeder Zeit, in verschiedenster Form und mit unterschiedlichsten Mannschaften hundertprozentig zu. Otto war maximal unbekannt, als er Wacker Innsbruck in der Saison 1970/71 von Branko Elsner übernahm. Otto, who? Ein kroatischer Nobody, geboren in Kärnten, der sich schnell einen Namen machte – als erster Meistermacher der Tiroler! Ein maximaler Einstieg, aus dem nicht nur ein Refrain wurde, der ihn Zeit seines Lebens begleiten sollte. Egal, ob beim Lask, ob bei Sturm Graz, ob bei jenem Klub jenseits von Kroatien, Zagreb und Dinamo, der ihm mehr als alle anderen von ihm betreuten Vereine ans Herz wuchs: Rapid! Baric und Grünweiß, das war eine Idealkombination.
Otto kam, sah und Rapid siegte nicht nur in der Liga, sondern marschierte unter ihm als wortgewaltigen Medienliebling mit Krankl, Weber, Panenka und den Kroaten-Legionären Brucic, Kranjcar, Halilovic bis ins Endspiel des Europacups. Ja, wäre nicht fast die halbe Rapid-Stamm-Elf gegen Everton ausgefallen, wer weiß? Als er Hütteldorf verließ, installierte er als Nachfolger seinen Freund und Mentor Markovic, der anders als er Nationalspieler und auch ein hochgeschätzter Legionär beim Wr. Sportclub und – ja, und bei Austria war, jenen Violetten, denen der grünweiße Maximalist stets ein Dorn im Auge war. Sogar noch als österreichischer Teamchef.
„Schauen Sie, geht umso“, war eine seiner Standard-Formulierungen auf Deutsch. Ebenso wie ein anderer Satz des mittelmäßen Verteidigers, der an der (Sport)Hochschule Zagreb zum Trainer von Format ausgebildet worden war. „Verstehen Sie, muss ich Mannschaft wieder heben…“ Ja, er verstand es mit einfachen psychologischen Mitteln, für den sportlichen Erfolg auch Typen zu einen, die menschlich mehr trennte – wie Krankl und Weber. Ja, Otto hatte über taktisches Verständnis und fachliches Wissen hinaus ein besonders G´spür dafür, wie man – da sind wir wieder – das Maximum aus einer Mannschaft herausholt. Was ihm bei und mit Rapid geglückt war, wiederholte er mit der Salzburger Austria – auch dank Ex-Rapidlern, die er geholt hatte wie Weber, Garger, Pfeifenberger. Und auch Salzburg stand im Europacup-, sprich Uefa-Cup-Finale. Und auch da war die Glücksgöttin nicht auf seiner Seite. Wäre ein Schuss ins Tor und nicht an die Stange gegangen gegen Inter Mailand, dann…? Schwamm drüber. Maximal glücklos. Wie als Teamchef mit einer Mannschaft im Umbruch.
Otto wurde oft nachgesagt, er hätte sich an Transfers bereichert. Aber selbst dann, wenn er, wie es so schön heißt, „mitgeschnitten“ haben sollte bei im Vergleich zu heute lächerlichen Summen, dann muss man Abbitte leisten. Es gab so gut wie keinen, den er geholt hat, der nicht eingeschlagen hätte, vor allem von den Top-Kroaten, aber auch anderen Legionären und heimischen Kickern, aus denen er Teamspieler formte. Wo immer es bei heimischen Vereinen kriselte, Otto wäre Gewehr bei Fuß gestanden, um zu helfen, auch noch jenseits der 80. Das ließ er stets durchblicken, wenn man ihn beim Ski-Weltcup in Zagreb besuchte. Oder bei Welt- oder Europameisterschaften im In- oder Ausland traf.
Otto, vormals oft irrtümlich als Sparefroh verschrien, geizte nicht mit Einladungen in besten Restaurants oder in Nobel-Etablissements wie „Fouquette´s“ an der Champs Elysee bei der WM 98 in Paris. Ob beim Weg zum Erfolg, ob bei Taktik im Fußball, ob um Erfolge als Trainer, ob um Eitel- oder Persönlichkeit wie Charisma, für Otto gab´s nur ein Credo: Maximal! Auch wenn Baric im fast schon biblischen Alter von uns gegangen ist, sein Tod hat auch mich als jüngeren alten Wegbegleiter getroffen. Die Lücke, die er hinterlässt, ist jedenfalls maximal.