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Schwimmfeste feiern, wie sie fallen, aber wissen, dass Uhren in Paris anders ticken

Ich werde mit Anfragen geradezu bombardiert, was ich zu unseren Schwimmern sage, die jetzt groß aufgetrumpft haben bei der Belgrad-EM, sogar die vordem so gut wie unbekannten Wasserspringer eine Goldene abgeholt haben. Ich kann mich da nur wiederholen, wenn ich sage: Absolut sensationell, welch tolles Comeback dem vor ein paar Wochen noch ausgelaugten, deprimierten Felix Auböck mit seinem Solo zum Sieg in Rekordzeit geglückt ist.

Und super, wie just einer, der nicht in besten Trainingsbedingungen baden muss wie der Kärntner Kraulsprinter Heiko Gigler, unter Aufbietung aller seiner Reserven das rotweißrote Staffelgold mit einer Teilzeit (47,58) errang, mit der er einigen der  Weltbesten im Nacken sitzen könnte, würde er doch noch als Einzelschwimmer zu Olympia eingeladen werden. 

Freund Auböck kenn´ ich gut genug, um zu wissen, dass er sowohl Sieg als auch die erste Rekordzeit auf der olympischen Langbahn über 400m Kraul seit drei Jahren sehr gut einschätzen kann. Ihm ist bewusst, dass er noch mindestens eine Sekunde finden muss, um in Paris die ersehnte Medaille gewinnen zu können, also eine Zeit um 3:42 nieder statt 3:43,24  wird schwimmen müssen, was wiederum nur Leute begreifen, die sich bei Schwimmresultaten auskennen und nicht so von gestern sind wie in  einem Gratisblatt, wo die Zeit des um 4,2 Sekunden abgehängten Zweiten unserem Goldfisch untergejubelt wurde. Die Goldstaffel schwamm in Belgrad bei allem Respekt einen Hauch langsamer als bei der Bronzemedaillen in Rom vor zweI Jahren.

Na ja, man kann sich ja nicht überall auskennen, wenn gerade der Euro und nicht mehr sprichwörtliche Rubel mit dem Ball rollt. Und würden sich sogenannte Sportfans nicht nur und erst dann für SchwimmerInnen (und andere Weltsportler: innen) interessieren, wenn es Siege und/oder Sensationen gibt, dann würden sie auch wissen, dass es sich halt immer um Einzelerscheinungen mit familiärem Background oder sportlichen Genen handelt – und Nachhaltigkeit eher ein Fremdwort bleibt.

Nein, ich bin kein Nörgler und Negativist, sondern frage mich, wo sind große Talente, die im Soge eines Auböck, einer Staffel oder, um die vorherige goldene Generation anzusprechen, eines Rogan oder der Jukic-Geschwister neue Akzente setzen oder über kurz oder lang die Nachfolge antreten können? Die heimische Nr. 2 hinter Auböck schwimmt bestenfalls sechs, sieben Sekunden langsamer! Und was passiert mit der Staffel, sollte einmal der fabelhafte Gigler ausfallen oder Mr. Butterfly Bucher oder Rückenschwimmer Reitshammer, hinter denen anders als nur beim Brustschwimmen eine große Lücke klafft?

Woran liegt´s, dass einige der Talente, die im Juniorenbereich sogar Weltmeister oder Medaillengewinner waren, dann den Übergang zu den Großen kaum schaffen – oder aber dann als Twens meilenweit den Zeiten hinterherschwimmen, die sie im Nachwuchs geschafft haben wie eine Lena Grabowski, wie Luca Mladenovic, auch die in Kalifornien lebende Marlene Kahler.

Mich würd´s schon für die Schwimmsportler freuen, die sich im Training den Arsch aufreißen, wenn sie uns in Paris mit der einen oder anderen, ersten Medaille seit 2008 (Peking, Mirna Jukic, Broonze) und 2004 (Athen, Rogan 2x Silber) überraschen. Dann aber, das weiß auch Felix Auböck, der immerhin auch schon (Kurzbahn) Weltmeister war und seit 2016 ein sogenanntes, größtenteils im Ausland gefertigtes, jetzt aber daheim aufgepäppeltes proven product ist, gehen die Uhren anders als in Belgrad, wo eben des finalen Paris-Countdowns und/oder aber interner Ausscheidungen wegen jede Menge an Topstars und Olympiafavoriten nicht dabei war.

Was nichts daran ändert, dass man trotzdem gewinnen muss, wenn man die Chance bekommt, zu gewinnen. Das ist den einen wie anderen auf spektakuläre Art und Weise gelungen, Mehr als ein Akonto aber ist´s trotzdem nicht. Darum wär´s fatal, über aktuellen Jubel hinaus größtenteils falsche Hoffnungen zu wecken oder Erwartungen zu setzen. Man muss zwar Feste feiern, wann und wie sie fallen. Im Schwimmsport oder Leichtathletik sind solche Solosiege wie  jener der Radsensation Anna Kiesenhofer in Tokio anno 2021 allerdings nicht möglich, weil da ganz sicher auf keinen Topstar vergessen wird wie damals zu ihrem/unserem goldenen Gunsten. Das ist der Spiegel der Realität und nicht Absurdität.

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