Leichtathletik

Silber-Lukas oder: Wenn Kopie besser als Weltrekord-Original wirft

Man hätte trotz des Ausfalls von Verena Mayr den ersten Tag der Leichtathletik-EM in Rom schon vor dem Abend loben können, aber das Beste kam dann zumindest aus heimischer Perspektive um zehn nach zehn Uhr zum Schluss! Diskushüne Lukas Weißhaidinger, nur Vierter der Qualifikation, steigerte sich im Finale nach einem Ausrutscher immer mehr, um schließlich mit 67,70m die Silbermedaille zu gewinnen. Nicht mehr als 38 Zentimeter hinter dem slowenischen Vizeweltmeister und neuen Europameister, dem 2,06m-Riesen Kristian Ceh, aber vor dem heuer bisher ungeschlagenen und vermeintlich unbesiegbaren Weltrekordler Mykolas Alekna. Welch Ironie, dass Weißhaidinger mit der umgestellten, von Alekna abgeschauten Wurftechnik den offenbar an der Favoritenrolle zerbrochenen Litauer auf den Bronze-Rang verdrängte. Oder andersrum: Ausnahmsweise war eine fabelhafte Kopie schöner und edler als das Original.

Zum spontanen Jubel des 1,95m großen und um einige Kilo leichteren Schützlings von ÖLV-Sportdirektor Gregor Högler und zum Entsetzen nicht nur des entzauberten bis entgeisterten Litauers, sondern auch des schwedischen Olympiasiegers und Weltmeisters Daniel Stahl, eines Brocken von einem Mann, der ob der Leistungssteigerung des Oberösterreichers aus Taufkirchen aber weiche Knie bekam, anders als in früheren Jahren am Ende nichts mehr zuzusetzen hatte. So wenig wie der litauische Weltrekordler-Sohn des zweifachen Olympiasiegers, der saloppe Lässigkeit vorgaukelte, aber an flatternden Nerven scheiterte. Luki, Gregor im Besonderen und unserer Leichtathletik im Allgemeinen kann´s nur recht sein, dass Weißhaidinger an einem römischen Abend auch als erster Athlet in die ÖLV-Annalen eingegangen ist, der zwei Freiluft-EM-Medaillen (die heutige Silberne nach Bronze) gewinnen  konnte.

Bei allen Lobliedern aber sollte man nicht vergessen, dass eine gewisse Ilona Gusenbauer als weiblich-mütterliche Antwort auf die ziemlich maskulin wirkende Rumänin Yolanda Balas von 1970 bis 1972 erst Gold bei der Hallen-EM (Stadthalle Wien 70) gewann, dann Gold bei der Freiluft-EM in Helsinki 71, kurz danach in Wien vorm Fußballsieg gegen Schweden im Stadion den Balas-Weltrekord auslöschte und in München 72 unter höchstem Druck die olympische Bronzemedaille holte. Aber wer weiß, was der seit heute von allen Zweifeln befreite, erst recht von sich überzeugte Lucky-Luki noch alles im Köcher hat. Olympia lässt grüßen. Paris kann kommen…

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