Mag sein, dass unsereins zu den Ewiggestrigen gehört, was auch die Einstellung zum Journalistenberuf betrifft. Was mittlerweile aber alles richtig ins Kraut schießt, spottet mehr als jeder Beschreibung. Gut möglich, dass es schon zur neuen Normalität gehört, dass man die Dinge auf den Kopf stellt, damit sie etwas spektakulärer zum Ausdruck gebracht werden. Der Sport darf da natürlich parapolitischen Paradoxa nicht nachhinken, die sich schon vor Monaten in einem besonders gut geförderten regierungstreuen Boulevard-Blattl angesichts der Infektionszahlen so gelesen haben: Tirol hoch, OÖ, NÖ, Wien hoch, aber Vorarlberg nur 11, Kärnten nur 7 und Burgenland nur vier Infizierte, also tatsächlich als Träger der roten Laterne statt Licht im Dunkel präsentiert. Pfui Teufel, Doskozil, schäm´ dich! Andererseits: War´s nicht ein toller Superlativ?
Und jetzt lese ich auch in deutschen Medien eine sehr interessante Betrachtungsweise der Schalke-Pleiten und -Pannen-Serie mit 30 sieglosen und davon vor allem verlorenen Spielen. Was wurde da auch im Sky-TV, dem derzeit der Fußballhimmel offen zu stehen scheint, gut und sensationsheischend verpackt, in Schlagzeilenform vermarktet? „Die Tasmania (Berlin) bangt um ihren Rekord!“ Wenn sie nicht wissen, welche Bestmarke das ist, dann kann ich sie vertrösten – es ist das Bundesliga-Negativum aus dem Jahre Schnee mit 31 sieglosen Spielen in Folge! Also müssen sich die Knappen sputen, dass sie endlich – Glückauf – endlich zu den Grubenhunten werden können, die sich ein Rekord-Pickerl auf die Stirn picken können, das wäre doch was, auch wenn Christian Gross als vierter Trainer in einem halben Jahr klein beigeben müsste.
Weil dem so ist, werden wir auch von PR-Agenten aller Arten nach dem Prinzip: Wer zahlt, schafft an, was erscheint, mit „Erfolgsmeldungen“ am Fließband verwöhnt. Auch wenn´s mir schwer fällt, weil ich den 2,13m-Center Jakob Pöltl schon gekannt hab´, als er noch Windeln trug, auch seinen historischen Wechsel in die NBA schätze – die aktuellen PR-Jubelberichte über ihn sind inzwischen so übertrieben, dass sie schon wieder skurrile Züge tragen. Im Vergleich mit anderen NBATop-Pivots ist seine Statistik aus den drei letzten Matches mit 13 Punkten (2/11,0) ganz sicher nicht so atemberaubend, dass es den San Antonio Spurs die Sporen gibt – und auch US-Experten nicht veranlasst, körbeweise Rosen an den Wiener aus Mariahilf zu verteilen.
Reden wir auch nicht über den fast täglichen Alaba-Report, der angeblich ebenso fast täglich mit Real-Madrid-Coach Zinedine Zidane in dessen Quarantäne telefonieren soll, wobei ich mir nicht sicher bin, in welcher Sprache sie kommunizieren, denn einer von beiden spricht kaum Englisch, der andere hingegen kaum Spanisch, Französisch oder Italienisch. Aber wer weiß, in der heutigen Hi-Tech gibt´s ja vielleicht schon Simultan-Übersetzungen, was Ewiggestrige natürlich noch nicht wissen.
Und da passt, um auch zum Winter und Skisport zu kommen, ganz gut hinein, dass die Skination Nr. 1. mittlerweile Platz 11 und Rang 14 in einem RTL-Klassiker wie Adelboden schon als tollen Fortschritt vermelden lässt, auch wenn es zuletzt schon ein Top-10-Ergebnis (Brennsteiner, 8.) gegeben hat. Wie gesagt, alles hat bekanntlich zwei Seiten. Und wer eine Seite besonders schön anmalt, der glaubt am Ende, dass es wirklich so ist, wie er es der Öffentlichkeit einredet oder schön schreibt – und dass es sich nur um finstere Mächte, dumme Besserwisser, notorische Nörgler und negative Kritikaster handelt, die allerdings die Dinge nur so realistisch betrachten, wie sie – meist schwarz auf weiß – wirklich nachzublättern sind.
Aber das, bitte schön, steht sowieso auf einem anderen Blatt. Hauptsache, man verkauft ein X für ein U. Oder sucht nach welcher Form an Superlativen auch immer. Schalke sollte sich anstrengen, damit die Tasmania – oder das, was von ihr geblieben ist – blass vor Neid werden. In der Tat, er könnte solch alte Deppen wie meine Wenigkeit angesichts der aktuellen Superlative an falschen Tatsachen und medialen Verballhornungen wirklich fressen. Mahlzeit!