Erst die Farewell-Party, dann das von ihm selbst so bezeichnete Abschiedsspiel. Mit dem Schlusspunkt oder, frei nach Thiem, geschlossenem Kreis, lieferte der Tennis-Darling der Nation am Dienstagabend in der Wiener Stadthalle ein Abziehbild seiner Karriere. Kraftvolle Schläge, glanzvolle Siege, Grand-Slam-Kraftakt in New York mit dem Rücken zur Wand, bis es zu mehrfachen Zäsuren in seinem (nicht nur Tennis) Leben. Fatale Handverletzung hin oder oder her, der in die Jahre gekommene Thiem schaffte es einfach nicht, den Buben, Teenager und Jung-Twen Dominic auszutreiben. Auch das war zumindest für mich auch der ganz schön teure Preis, den er für den größten und mit Drum und Dran höchstdotiertem aller seiner Tennispreise bezahlen musste.
Natürlich war sein letzter Turniergegner, der Italiener Luciano Darderi, kein Kaliber vom Format der gro0en Drei oder anderer Langzeitgrößen seiner Zeit, aber einen mehr als passablen ersten Satz lang packte mich der Gedanke mit der Frage: Wenn jemand ein so wackeliges, lädiertes Handgelenk hat, warum kann er dann mitunter so fabelhaft zuschlagen wie in seinen nesten Tagen, als er das vermeintlich unantastbare Triumvirat Federer, Nadal, Djokovic nicht ärgerte, sondern in faszinierenden Duellen mehrmals sogar entzaubert und damit auch hierzulande große Begeisterung ausgelöst hatte?
Ja, Dominic Thiem war einer der ganz großen heimischen Sportler, der in aller Welt zu den Publikumslieblingen gehörte, ein technisch beschlagener Kämpfer vor dem Herrn, der aber mit der Abnabelung von seinem Mentor Bresnik seinen eigenen Schrumpfungsprozess schon vor der schicksalhaften, diabolischen Handverletzung eingeleitet hatte. Was sich unsereins keineswegs aus den Fingern gezuzelt hat, sondern Dominic selbst bekannte, als er von einem großen Loch sprach, in das er nach dem US-Open-Triumph gefallen wäre. Das war, soweit ich mich erinnern kann, schon in den ersten 2020er-Monaten.
Und aus diesem Loch ist die ehemalige Nummer 3 der Welt, die von Fuß bis Kopf nicht nur Nachfolger von Thomas Muster wurde, sondern eigentlich von Kopf bis Fuß auch ein gefeiertes Kontrast-Programm in jeder Hinsicht. Nicht nur sportlich, auch menschlich. Seit er in eine Abwärtsspirale geraten war, gab´s Irrungen und Wirrungen, Trennungen und Wendungen, Trainer- und Meinungswechseln, die – unter Brüdern – im wahrsten Sinn des Wortes nicht von schlechten Eltern waren.
Wenn man sieht, wie ein 38jähriger, durch viele Höhen und Tiefen gegangener Novak Djokovic immer noch spielt, wenn es um viel geht, dann muss einen Herz und Schmerz packen, dass ein 31jähriger unter dem Jubelsturm auch medial euphorisierter Fans seine sieben Sachen packt, um als Frühpension adieu zu sagen. Aber wer weiß, vielleicht verleiht das Beispiel des Hirscher-Comebacks in ein paar Jährchen auch dem mittlerweile ganz schön bulligen Thiem wieder Flügel, der sich sagt: Servus Tennis! Sag niemals nie oder frei nach Adenauer: Was interessiert mich das Geschwätz von gestern?