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Vergoldete Wildwasser-Kuhnle, womöglich verschlossene Tokio-Slalomtore

Wer Wildwasser-Slalom sagt, der denkt als Sportfreund natürlich an die Kanutin Corinna Kuhnle, das liegt ihrer vielen Siege, großen Erfolge und einigen (Gold)-Medaillen wegen ja auf der Hand. Am Wochenende hat die aus Höflein an der Donau stammende Kuhnle nach zwei WM-Titeln jetzt auch in Ivrea in Norditalien ihr zweites EM-Gold nach 2017 geholt – und zehn Jahre nach ihrem ersten WM-Triumph im Kajak-Einer den vierten großen Einzel-Titel neben dem „addierten“ Weltcup-Gesamtsieg an Land gezogen. Ja, so lange gehört die inzwischen 33jährige schon zur absoluten Weltspitze und zum Favoritenkreis, wenn Medaillenrennen auf natürlichen Strecken oder in einem Eiskanal anstehen.

Was allerdings Olympia betrifft, so stand, nein: steht Kuhnle mit den Sommerspielen auf Kriegsfuß, ist sie doch schon zweimal (London, Rio) an ihrem (vielleicht übertriebenen) Mut zum Risiko gescheitert – und wenn´s nach Qualifikations-Kriterien des Verbandes geht, in Tokio höchstwahrscheinlich gar nicht dabei. Zumindest müsste sie nach dem aktuellen Stand der Dinge und der von Verband schon vor der Pandemie vereinbarten Regeln der jüngeren, ehemaligen Europa- und Vizeweltmeisterin Viktoria Wolffhardt den Vortritt lassen, die für Österreich den Tokio-Quotenplatz erobert hatte. Allerdings war Wolffhardt am Tag, als Kuhnle wieder paddelte wie in alten, besten Tagen, nicht über Platz 18 und das Semifinale hinausgekommen, also quasi weit weg vom goldenen Schuss. Und was, wenn Kuhnle auch im kommenden Weltcup weit voraus sein sollte, Wolffhardt aber mit einem Semifinale nicht mehr als nur das erforderliche PIansoll erreicht, um in der Quali vorn zu bleiben. Ein Szenario, das leicht Realität werden könnte…  

Womit wir bei einer alten Krux und ewigen Diskussion angelangt sind, wenn es bei Nominierungen für Großevents, insbesondere Olympische Spiele, darum geht, wer von zwei oder gar drei Kandidaten auf einen Quotenplatz für Österreich den Zuschlag und das Vertrauen bekommen soll. Ich kenne schon meine bürokratischen Pappenheimer, die am liebsten den Rechenstift entscheiden lassen, auch dann, wenn die „siegreiche“ PIatzziffer für die eine oder aber den anderen sich aus Topresultaten älteren Semesters ergibt. Ja, so funktioniert´s nicht immer, aber sehr oft unter den Rechenkünstlern, die sich hinter Zahlen und Ziffern verstecken. Sie verweisen am liebsten auf die Arithmetik als schonobersten, von Dachverbänden unabhängigen, quasi parteilosen Schiedsrichter, um ihre Hände in Unschuld zu waschen. Und dann gibt´s ja noch, wär´ nicht Österreich, ein Tauschgeschäft unter Verbänden, Vereinen, Trainern nach dem Prinzip: Gibst mir den oder die, schenk´ ich dir die oder den. Schließlich wäscht bei uns eine Hand gern die andere.

Anders als Corinna, die nur im Kajak paddelt, wäre Viktoria quasi doppelt gemoppelt, ist sie doch auch im Canadier-Einer sozusagen Herr übers Wildwasser und immerhin als Europameisterin 2018 mit Gold dekoriert. Ein Ausweichmanöver allerdings in die andere Wildwasser-Slalom-Disziplin scheitert daran, dass eine andere, nämlich Nadine Weratschnig, diesen Quotenplatz okkupiert. Kurzum, wie man´s dreht und wendet, eine aus dem Erfolgstrio der Paddlerinnen wird auf der Strecke bleiben müssen. Und dabei kann man nur hoffen, dass da nicht gemauschelt, nicht nur addiert, dividiert und irgendwie ab – und hochgerechnet wird, sondern einzig und allein der Blick eines erfahrenen Cheftrainers a la Helmut Oblinger, selbst Olympiavierter (2000) und mehrfacher Medaillengewinner, über die (Aus-)Wahl entscheidet. Zum Glück steht ja nicht mehr Violetta zur Debatte, seine eingebürgerte deutsche  Frau, die 2008 die letzte Kajak-Medaille für Rotweißrot erkämpft hat. Wohin immer die Kugel im Tokio-Roulette rollt – der Verantwortliche sollte klaren Blick, kühlen Kopf und kaltes Blut behalten. Und sich eine dicke Haut zulegen.

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