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Victoria Hudson. Von Geschichtsstudentin zu Speer-Amazone, die Geschichte schreibt

Welch goldiger Tag für Österreichs Sport! Kaum hatte Synchron-Schwimmnixe Vasiliki Alexandri wie erwartet die EM-Goldmedaille im Solo in Belgrad gewonnen, doppelte in Rom die Speerwurf-Amazone Hudson, Vorname Victoria, nomen est omen, mit dem erst dritten Europameistertitel für Österreichs Leichtathletik nach. Wie ich gehört und gelesen habe, waren auch ihre 80jährigen Großeltern aus England eingeflogen und damit im Stadio Olimpico als Augenzeugen dabei, als Vicky zwar nicht weiteste, dafür aber bisher größte Wurf ihrer Karriere gelang. Wie Großeltern und Nachname verraten, rinnt in Hudsons Adern auch britisches Blut, das sich mit heimischen vermischt hat, weil den englischen Papa gottlob der Pfeil Amors aus Hainburg an der Donau getroffen hat. Wo die Liebe hinfällt, kann´s Blüten treiben. Oder eben Gold regnen.

Als Geschichte-Studentin hab´ ich Victoria Hudson vor fünf Jahren bei der Universiade in Neapel im Stadio San Paolo (jetzt in Memoriam nach Maradona benannt)  kennengelernt, jetzt hat sie Sportgeschichte geschrieben auf den Spuren der Speerwurf-Olympiasiegerin 1948 (und EM-Zweiten 1950) Herma Bauma (+2003), der Fünfkampf-Europameisterin (1969), Olympiazweiten (1968) und zweimaligen Weltrekodlerin (1969) Liese Prokop (+2006) und der letzten Europameisterin vor 53 Jahren (Helsinki 1971/1,87m), der Olympiadritten (1972/München 1,88)) und Weltrekordlerin (1971, Wiener Stadion/1,92m) im Hochsprung, Ilona Gusenbauer. Und wie ihre Vorgängerin, so ist jetzt auch Hudson in die Rolle einer olympischen Mitfavoritin geschlüpft.

Vor fünf Jahren, als sich Hudson über medaillenlose 56,40m in Neapel noch geärgert hatte, war sie das gewesen, was ihr jetziger Trainer, ÖLV-Sportdirektor Gregor Högler, als Wundertüte ge- und bezeichnet hat, bei der Hui und Pfui wechselten. Inzwischen aber hat sich Vicky zu einer der stärksten, technisch besten und mental gefestigten Frauen unter den Speer-Amazonen ausgewachsen, die nicht nur  – mitunter eine österreihische Eigen- und Unart – bei kleinen regionalen Meetings zu großen Weiten ausholt, sondern große Würfe auch bei Großevents liefert. Wie bei den European Games. Wie als WM-Fünfte 2023 in Budapest. Und wie jetzt beim EM-Triumph in Rom, wo sie mit dem ersten Versuch über 64,62m die Gegnerinnen so schockierte, dass nur noch eine, die erst 19jährige Serbin Vilagos, bis auf 20 Zentimeter an sie herankam. Und die mit einer Ausnahme auch eine Serie an Würfen über jene 60m hinlegte, die für andere eine kaum zu knackende Nuss war.

Auch aus der fernen TV-Distanz konnte man sehen, wie sich Victoria freute wie ein kleines Kind, wie ihre Augen leuchteten wie bei den ersten Weihnachten, wie sie sich als Niederösterreicherin, wenn auch mit englischem Backgrund, euphorisch-enthusiastisch in die rotweißrote Fahne für die Ehrenrunde wickelte, die sie mit der um ein Hundertstel erfolgreichen Schweizer 200m-Titelverteidigerin Mujinga Kambundji aus Bern (Vater Kongolese) im Olympiastadion drehte vor dem italienischen Präsidenten Sergio Mattarella.

Sie konnte in einem kaum erträumten Triumph baden, auch wenn der Großteil des tosenden Beifalls natürlich in erster Linie dem italienischen Olympiasieger Gianmarco Tamberi galt, einem Showman vom Scheitel bis zur Sohle, dem bei 2,26,m schon der Flop drohte, ehe er als schon feststehender Sieger nach 2,33 und 2,34 m auch noch 2,37m meisterte. Wie Tamberi, der erst nach einem Achillessehnenriss von der Wundertüte zum Golden Boy mutierte, so gehört jetzt auch Victoria Hudson zum elitären Kreis der Medaillenkandidaten in sechs Wochen bei den Sommerspielen in Paris. Wer hätte das vor einem Jahr gedacht oder für möglich gehalten? Mit dem Titel in der Tasche und erst vollendeten 28 Jahren hat Frau Hudson nichts zu verlieren, sondern kann nur gewinnen. Tanti auguri – nicht nur nachträglich zum Geburtstag am 28. Mai, sondern für Olympia!

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