Natürlich würden sich heute auch andere interessante bis brisante Themen aufgreifen oder historische Ergebnisse ins rechte Licht setzen lassen wie das nicht unerwartete Ende des Struber-Regimes in Salzburg, die Glasner-Sensation mit Crystal Palace in Liverpool oder Platz 16 des Austro-Amerikaners Sepp Straka beim US-Masters der weltbesten Golfer. Nicht nur diskutabel, was die Abwärtsspirale der Jungbullen betrifft, sondern auch mehr als honorabel, was der stille Glasner immer wieder schafft oder wie sich der stämmige Jung-Papa Sepp in Augusta schlug, wobei er mit ein bisschen mehr Glück am Grün noch näher an Sieger Scheffler hätte herankommen können, der sich zum zweiten Mal das Green Jackett sicherte. Schon jetzt aber kann man sagen, dass Straka ein Mann fürs Wesentliche ist, also die ganz großen Turniere, sonst wäre er ja auch nicht Zweiter bei den British Open des Vorjahres gewesen und ins Ryder-Cup-Team geholt worden, wo er als erster Österreicher auch gepunktet hat.
Und eben diesen Sonntag hat´s auch die jahrelang als „Vizekusen“ verhöhnte Leverkusen-Werkself in die Fußball-Annalen geschafft. Nach vielen vergeblichen Anläufen, verjuxten Chancen und einem mühsam verhinderten Abstieg hat Bayer04 endlich den FC Bayern entthront und den ersten Bundesliga-Meistertitel in der Vereinsgeschichte geholt. Noch dazu im bombastischen Stil mit einem pompösen 5:0-Heimsieg gegen die Werderianer aus Bremen, die biedere Stadtmusikanten blieben im Vergleich zur Philharmonie der Pharmarianer, bei denen die Chemie passt – nicht nur im Spiel und außerhalb des Feldes, sondern auch am Transfermarkt. Wenn man nachrechnet, wie viel der Weltkonzern investiert hat, wie groß aber bei dem einen oder anderen Verkauf (a la Havertz) der Return of Investment war, dann muss man Leverkusen dazu gratulieren, dass er auch in dieser Hinsicht ein deutscher Meister ist, der den FC Bayern als Abermillionen-Verschwender blamiert hat.
Nicht erst seit dem historischen Titelgewinn und 43 Spielen in Serie ohne Niederlage, mit denen der Juventus-Rekord (2000) egalisiert wurde, ist Meistermacher Xabi Alonso zum Objekt der Begierde für seine Ex-Klubs aus Liverpool, München und Madrid geworden. Aber der gefeierte Trainer sagte da wie dort ebenso ab wie bei Real Madrid, wo er groß geworden war. Aus gutem Grund, weil Alonso nicht nur weiß, was er an Leverkusen hat, sondern auch an seinem wirtschaftlichen Geschäftsführer, der – man vergleiche das mit Freund und Eberl in München – zumindest in heimischen Gazetten so gut wie nie genannt wird, obwohl der unaufhaltsame Bayer-Aufstieg auch mit seinem Einstieg und dem Alonso-Engagement eng verbunden ist.
Die Rede ist von jenem einst langmähnigen, nun kahlköpfigen Spanier aus Barcelona mit dem schönen Namen Fernando Carro de Prada, der vor 40 Jahren, jawohl vier Jahrzehnten, bei mir in der „Presse“ als damaliger Karlsruhe-Student einige Monate volontiert und später als Bertelsmann-Vorstand und Libro-Spanien- und Südamerika-Chef eine tolle Karriere gemacht hat. Für den FC-Barcelona-Intimus Fernando, den mir Hans Krankl als Sohn seiner Spanisch-Lehrerin ans Journalisten-Herz gelegt hatte, war Fußball schon immer so etwas wie (s)ein Lebenselixier gewesen.
Als polyglotter Ökonom mit besten (Fußball)-Beziehungen natürlich auch nach Südamerika ist Fernando bei Bayer 04 in seinem Element, mit Alonso bildet er als Mann im Hintergrund ein ideales Duo, das in spanischer Zweisamkeit natürlich auch dank des tollen Xabi-Rufes als (Team)-Spieler, Mensch und Trainer erfolgreich die Fäden zieht. Sozusagen heimlich, still und leise wurde in Leverkusen ohne fette Schlagzeilen eine bestens aufeinander abgestimmte, an vielen Positionen austauschbare Truppe zusammengestellt, in der selbst Torjäger vom Format eines Boniface ebenso nahtlos ersetzt werden können wie der Argentinier Palacios, von dem Freund Fernando nicht ohne Stolz sagt, „dass wir den einzigen Weltmeister haben, der in der deutschen Bundesliga spielt!“
Auch da muss man den Hut ziehen, wie anders als beim ewig überlegenen, endlich entthronten Rivalen in München meisterhaftes Understatement statt (negativer) Superlative regiert. Meine Gratulationen Amigo Fernando und und mir persönlich unbekannter Weise Xabi Alonso!