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Vom Golden Boy Haaser und der Frage, ob weniger nicht mehr wert ist

Mit Bronze war zur Halbzeit spekuliert worden, dann wurde daraus Gold mit dem ersten Saisonsieg der Herren! Welch ein Happy End für Rotweißrot und den erst seit ein paar Wochen wieder rennfähigen Raphael Haaser, der mit seinem allerersten Sieg auf höchster Ebene gleich erster österreichischer Riesenslalom-Weltmeister seit acht Jahren und Marcel Hirscher wurde – vor den Augen des Neo-Skifabrikanten, dessen führender Schützling Timon Haugan als letzter Läufer ebenso am Husarenritt des Tirolers zerbrach wie alle Schweizer, die mit dem favorisierten Trio Tumler-Meillard und einem Odermatt, der nur die Blechtrommel rührte, die folgenden Plätze belegten.

Wer hätte trotz Raphaels zweiten Platz im Kitzbühel-Super je gedacht, dass der oft verletzte und darum auch unterschützte Leisetreter just auf dem Schicksalsberg seiner durch Kreuzbandriss aus allen WM-Hoffnungen gerissenen Schwester Ricarda seine fast ans Utopische grenzenden Träume verwirklichen und sich aus eigener Kraft zur neuen Nummer 1 im rotweißroten Ski-team machen würde? Hand aufs Herz, so gut wie niemand, selbst Optimisten spekulierten höchstens wie eingangs erwähnt mit Bronze.

Und jetzt ist dieser Tiroler, man verzeihe, wenn ich die WM-Geschichte 1991  aufwärme, als einfacher Weltmeister, aber zweifacher Medaillengewinner in die Rolle jenes Stephan Eberharter von damals geschlüpft, der nur ein paar Kilometer entfernt am beginnenden Zillertal daheim ist. Im Blick zurück auf die mehrmals gebremste Karriere des neuen, noch 27-jährigen ÖSV-Golden Boys sei vermerkt, dass in Raphael Haaser schon immer ein Juwel steckte, das einst bei EYOF-Games für Starlets zwei Siege feiern und bei Junioren-Weltmeisterschaften mit Silber und Bronze einen Vorschuss auf künftige Erfolge deponieren konnte.

Das sei ebenso in Erinnerung gerufen wie die unbestreitbare Tatsache, dass es sich bei den (vor dem finalen Slalom) einzigen  heimischen Medaillengewinnern bei den Herren der Schöpfung am Toto-Zwölferkogel um ein Duo von Rekonvaleszenten handelt, die wie Raphael Haaser sechs Wochen (Anfang Dezember bis Kitzbühel, Platz 2 im Super G) außer Gefecht waren oder wie der Abfahrtsversilberte Vincent Kriechmayr nach dem Wengen-Horrorsturz bis kurz vor den Medaillenrennen um einen Start bangen mussten. Das lässt, Sturzfolge-Schmerzen hin, Wehwehchen her, den Umkehrschluss zu, dass beide in der Renn- und Trainingspause sozusagen zwanglos vor allem mental den Akku auflasen und Kräfte bündeln konnten, die sie im Ernstfall mit Mut zum vollen Risiko einsetzen konnten.

Erst erfolgreich, jetzt sogar siegreich mit dem Sensationsweltmeister Haaser, der seit heute mit dem kompletten WM-Medaillensatz (Gold, Silber plus Kombi-Bronze 2023 als gelernter Allrounder), dekoriert ist. Und der den im Goldrausch, Jubelsturm und Happy End schwelgenden Skiverband zum Nachdenken bewegen sollte, ob der mitunter in mancher Hinsicht ins Uferlose gehende Millionen-Aufwand nicht da wie dort des Guten zu viel ist. Und weniger mitunter mehr sein kann, wenn man an die WM 292 denkt…

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