LIVE MIT JOE METZGER

Von Mauthausen-Challenger, Thiem-Pleite und Zerrspiegel der Realität

Eigentlich wollte ich mich aus gutem Grund und auch aus Respekt vor dem verstorbenen Ronnie Leitgeb nicht mit dem Challenger-Tennisturnier in Mauthausen just in den Tagen der KZ-Befreiung ebendort auseinandersetzen. Dass es auch justament in seiner Endphase mit dem Auftakt der Bundesliga kollidiert, sei so nebenbei erwähnt, also auch damit, dass der im Viertelfinale knapp gescheiterte Dennis Novak statt in Mauthausen  am Samstag ebenso in Irdning (allerdings mit Niederlage gegen einen Unbekannten namens Duda) spielte wie der Sportdirektor Jürgen Melzer sowohl solo als auch mit dem im Mauthausen-Doppel gescheiterten Jungstar Joel Schwärzler an seiner Seite. Künstler-Pech, dass die Irdning-Nummer 1 Filip Misolic für das Duell mit Seebenstein absagen musste, weil das Einzel-Endspiel im Mauthausen-Challenger natürlich absolute Priorität hatte.

Für jene meiner Blog-Leser, die nicht gerade zu Tennis-Insidern zählen, muss das alles ziemlich verwirrend sein, noch verstörender hingegen das Faktum, dass unser aller Domi, also Dominic Thiem, US-Open-Sieger 2020 und ehemals Nr. 3 der Welt, im Semifinale dieses doch eher kleinen Turniers gegen den weithin unbekannten, noch 19jährigen Serben Medjinovic, Pardon; Medjedovic, ziemlich eindeutig mit 6:7, 2:6 kurz und schnmerzlich den Kürzeren zog. Nein, nein, sie haben sich nicht verhört oder verlesen – unser zuletzt vermeintlich auf gutem Weg befindliches Comeback-Kid, schon knappe 30, dafür aber wieder Nr. 96, verlor eher sang- und klanglos gegen die Nummer 214 der Tenniswelt, eine von vielen Nobodys, die bei diesem Challenger dabei gewesen sind.

Ich weiß, ich weiß, dass ich wieder als hehasster Nestbeschmutzer, als Negativist, als Schwurbler, als Verschwörungstheoretiker, Beckmesser und was es sonst an schlechtem Nachruf geben sollte, hingestellt werde. Ja, das weiß ich natürlich ebenso wie mir die Tatsache bewusst ist, dass es nicht gern gesehen, gehört oder gelesen wird, manch ziemlich euphorisch kommentierte, auf dem Papier unwiderlegbare Erfolge etwas zu relativieren. Wie gut auch immer der Mauthausen-Challenger organisiert wurde, was niemand in Zweifel zieht, wie gut oder auch über Gebühr er medial (Print, Funk, Fernsehen live) er dank alter und aktueller Beziehungen vermarktet wurde, der ewige, böse kritische Geist namens Metzger erlaubt sich zu schreiben, dass es sich bei diesem Turnier im heimischen Interesse um bessere österreichische Meisterschaften mit zweit- bis drittklassiger mehr oder weniger junger internationaler Beteiligung gehandelt hat.

Und mit einem Dominic Thiem als möglichen Zuschauer-Magnet, der bei allen Defiziten immer noch – auch wenn er völlig unerwartet gegen einen serbischen Unbekannten ausgeschieden und damit ein Österreich-Endspiel ins Wasser gefallen ist – unser mit Abstand bester Mann ist und bleibt. Wie gut oder auch nicht all unsere anderen Tennisspieler sind, das offenbart sich schlussendlich daran und darin, wie oft sie sich für größere ATP-Turniere qualifizieren und wie gut sie sich ebendort dann schlagen. Das und nicht halbstaatlich diktierte, von Freundschaft oder auch Respekt geprägte Goodwill-Berichterstattung sind die echten Gradmesser, wie gut wir wirklich drauf sind. Das hat nichts mit Negativismus zu tun, sondern ist nichts als der Spiegel der Realität, der reflektiert, wie es um uns und auch um Thiem steht. Alles andere wäre, entschuldige alter Freund Thomas, wie ein Muster ohne Wert…

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