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Wenn zu wenig mit dem Ball und zu oft in Schnittstellen gespielt wird

Zugegeben, ich hab´ als Ewiggestriger natürlich eine leise Aversion gegen manch neuzeitliche Formulierungen, die sich nicht nur eingenistet und eingebürgert haben, sondern im ständigen, aber freiwilligen Ringen um noch moderne Formulierungen manch Auswüchse nach sich ziehen, zumindest für mich. Bevor wir zu solch semantischen Quantensprüngen wie dem Diagonalpass in die Schnittstelle oder noch gefährlicheren Beschreibungen spielerischer Elemente im Fußball kommen, möchte ich mich mit dem bulligen Modewort begnügen, das da in Eindeutschung englischer Fachausdrücke wie Pressing oder Forechecking schlicht und einfach heißt: Spiel gegen den Ball!

Als regelmäßiger, aufmerksamer TV-Konsument ist mir nicht entgangen, sondern ins Aug´ gesprungen, dass ganz gegen das Bullen-Rezept diese taktische, laufintensive, kampfkräftige Form von Fußball keineswegs beflügelt, sondern eher zerstörende Wirkung besitzt, was ja im Grunde auch die wahre Absicht ist. Das seit einiger Zeit nachgerade angehimmelte Spiel gegen den Ball, das von immer mehr Kickern immer besser beherrscht wird oder im Auftrag des Trainers beherrscht werden muss, nimmt immer mehr die Form eines ins Mittelfeld verlagerten Catenaccio des damaligen Erfinders Helenio Herrera mit Inter Mailand an.   Damals machten die Italiener mehr oder weniger rücksichtslos ihren Laden im und am Strafraum dicht, in dessen Nähe mit wenigen, kreativen Ausnahmen die wenigsten Spitzenklubs mit ihren Spitzenverdienern unter den Goalgettern überhaupt kommen …

Man muss sich ja nicht nur die Ergebnisse der Duelle von Topvereinen in der Champions- oder Europa League anschauen, sondern auch die Spiele selbst, die fast alle auf des Messer Schneide stehen – und das meine ich auch so. D bedarf es dann schon extremer Unaufmerksam einer Abwehr wie bei Neapels Ausgleichstor zum 1:1 im Finish der Partie gegen den FC Barcelona durch den ersten Schuss, den Torjäger Osimhen nach einem ziemlich ruppig geführten Zweikampf plötzlich allein vorm Tor abgeben konnte. Und die im Endeffekt ineffizienten Kanoniere des FC Arsenal, die in Porto bei 75 Prozent Ballbesitz alle Chancen vernebelt hatten, waren in der 94. Minute offenbar schon geistig in der Kabine, als der Schuss aus 30m wie aus dem Nichts noch nach hinten losging.

Da ja in Zeiten wie diesen, in denen es um Abermillionen geh, der Zwecke so gut wie alle Mittel heiligt, sind wir wie einst im Mai wieder bei der Tor-Armut angekommen, wenn Ebenbürtige aufeinandertreffen: Dortmund 1:1 in Eindhoven, Barcelona beim SSC Napoli 1:1, Porto 1:0 gegen Arsenal, Inter mit Arnie-Goldtor 1:0 gegen Die Atletico-Madrid-Defensiv-Künstler. Vier Spiele, mickrige 6 Tore und alles andere denn berauschender Kick, vielmehr eher Rush und Rauh…

Ja, das Spiel gegen den Ball, legitimer und vor allem erfolgversprechender Nachfolger von Catenaccio und Co, hat dem oft so faszinierend-trickreichen Spiel mit dem Ball im Eiltempo den Boden unter den Füßen weggezogen. Und wenn man weit und breit schaut, dann sehe zumindest ich keine neuen Stars vom Schlage eines Pele, Maradona und zuletzt Messi, die nicht nur ihre Klubfans verzauberten. Unter dem neuen Diktat, das in Mode ist, gibt´s auch so gut wie keinen Platz mehr für Zauberlehrlinge. Als Ewiggestreiger sag ich dazu zwangsweise: Ewig schad, dass es zu wenig Tricks und zu viele Schnittstellen gibt!  

 

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