Fussball

Wie aus unersättlichem Wüstenflüchtling der Fairplay-Apostel Ronaldo schlüpfte

Haben wir uns alle in Cristiano Ronaldo getäuscht? Haben wir den 38-jährigen Portugiesen etwa irrtümlich für einen gierigen Nimmersatt ohne Rücksicht auf Verluste gehalten, der gegen sehr gutes Geld auch seine Fußballer-Seele verkauft? Wurde er zu Unrecht medial geprügelt, weil er als Manchester-Auslaufmodell zum Millionenflüchtling in die Fußballwüste Arabiens mutiert ist?

 Ja, das war vorgestern, denn seit heute wird Cristiano Ronaldo als Inbegriff von Fair Play gefeiert und als Muster edlen Werts, das zum eigenen Nachteil und auch zum kleinen Schaden seines neuen Klubs Al-Nassr auf einen Elfer-Vorteil verzichtet hat – noch dazu in einem Spiel der asiatischen Champions League! Ja, unglaublich bei einem Goalgetter seines Schlages, dessen Torhunger kaum zu stillen ist!

Kaum vermeintlich gefoult von einem Iraner des Teams Persepolis, kaum hatte der Referee auf den Elferpunkt gezeigt, da schritt der Torjäger nicht zur Exekution des Penaltys, sondern als Apostel der Fairness zum Schiedsrichter, um ihn zu bitten, die Elfmeter-Entscheidung zurückzunehmen, er wäre nicht gefoult worden, es wäre also ein ungerechter Fehlpfiff gewesen.

Und wenn ein Superstar wie Ronaldo so was fordert, dann ist sein Wunsch auch Befehl für den Referee, den VAR einzuschalten, der – was sonst – das empfahl, was der Portugiese verlangt hatte. Welch eine noble Geste des Evergreens, der sich sozusagen als Tor-Rekordler selbst verleugnete!

Hochgelobt sei Ronaldo, so hilfreich, edel und gut zu schwächeren Kollegen! Die fast seligsprechende Herz-Schmerz-Story machte in Wort, Bild und Ton natürlich ihre Runde um die Welt, begleitet von einer wertgeschätzten Metamorphose in der auch medialen Einschätzung des mehrfachen Weltfußballers aus der portugiesischen Atlantik-Enklave Madeira.

Sein Verein, der auswärts 2:0 gewonnen hatte, musste sich ohne Penalty daheim mit einem torlosen Remis zufriedengeben, was aber nichts daran änderte, dass Al-Nassr sowieso schon uneinholbarer Vorrunden-Gruppensieger war. Ohne Ronaldo jetzt die Butter vom Fairness-Brot nehmen zu wollen, so hätte ich schon gern gesehen, ob Cristiano in An- oder Abwandlung christlicher Fairness-Nächstenliebe so gehandelt hätte, wäre es Spitz auf Knopf um alles oder nichts gegangen.

Und davon konnte, auch wenn man mir Beckmesserei vorwirft, bei der wunderschönen, vorbildlichen, mustergültigen Fairplay-Story nun wirklich keine Rede sein. Aber das ist der Lazf der Zeit, in der man nie weiß, wo die ehrliche Wahrheit aufhört und die verlogene Heuchelei anfängt. 

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