Erst hat er ihn eingestellt, jetzt übertroffen. Die 894 Tore, die der Kanadier Wayne Gretzky in 20 NHL-Jahren erzielte, waren also doch kein Rekord für die Ewigkeit. Gretzky war wieder vor Ort, als der russische Washington-Capitals-Legionär Aleksander Owetschkin witziger Weise in der gleichen Anzahl von 1473 Spielen das eine, einzigartige, alleinige 895. Rekord-Tor bei den New York Islanders schoss. So legendär, so historisch, dass das Match unterbrochen wurde, um das Jahrhundertereignis gebührend mit Krethi und Plethi zu feiern. Zumindest wird´s ja wieder eine sprichwörtliche Ewigkeit dauern, bis dieser Rekord wie jeder andere von irgend einer neuen Legende ausradiert wird. Das ist der Lauf der Welt.
Für mich auch ein Stichwort insofern, dass sich zwar die kleine NHL-Welt mit der alten vor der neuen Legende nicht nur verneigte, sondern auch so bejubelte, wie es der außergewöhnliche Eishockeystar Owetschkin, von den Fans der Rückennummer wegen respekt- bis liebevoll „Great 8“ genannt, verdient. Hätte mich aber gewundert, wäre nicht thematisiert worden, dass sich der auch in Amerika hofierte Superstar Owetschkin nicht in aller Öffentlichkeit von Putin distanziert und das Bild, das ihn mit dem russischen Präsidenten zeigt, noch immer nicht aus dem Trophäenschrank entfernt hat. Und dass er nur ganz allgemein gegen jede Form von Krieg ist und nicht explizit nur gegen jenen Putins und Russlands gegen die Ukraine. Unterton: Und so einen Menschen soll man bejubeln?
Ehrlich gesagt hängt mir diese Heuchelei, die sich im Laufe der Jahre durch ziemlich einseitige Be- und Vorurteilungen eingenistet hat, beim Hals heraus. Wenn es um andere, noch grausamere Kriege in anderen Regionen der Welt geht, da höre ich so gut wie nichts über Suspendierungen und Ausschlüsse, da herrscht eher Schweigen auch im Blätterwalde. Und wenn ich die Kader der NHL-Klubs durchforste, die in den USA wie in Kanada spielen, dann finde ich nicht weniger als 40 Russen und fast noch einmal so viele, die in Farmteams auf Abruf spielen.
Und wes politischen Geistes sie sind, danach fragt auch keiner wie jetzt die besonders guten gutmenschlichen Weltverbesserer beim Rekordler Owetschkin, der sich trotz seines Danks an den Profit von 20 NHL-Jahren dazu bekennt, ein Russe zu sein. Und es erregt auch nirgendwo Anstoß im Tennis, dass es da unter den Topspieler: innen nur so von bei anderen Weltverbänden ausgeschlossenen Russen wimmelt.
Ich bin schon neugierig, ob die neue IOC-Chefin Kirsty Coventry als mehrfache Olympiasiegerin, Weltmeisterin und Weltrekordlerin aus einem politisch gebeutelten Land wie Zimbabwe jene Zeichen des Brückenbaus und der Verbrüderung über Weltanschauungen und Politik hinaus setzen kann und wird, die sie bei ihrer Wahl angedeutet hat. Wie mit und in den besten Sportlern vom legendären Format eines Gretzky, Owetschkin oder wie immer Superstars ihrer Szenen auch heißen, so besitzt der Sport ganz allgemein über alle viel zu übertriebenen ideologischen Grenzen hinweg die Kraft, die Auseinandersetzungen vom blutigen Schlacht- aufs geregelte Spielfeld zu verlagern. Und das über die Regentschaft des einen oder anderen Präsidenten oder Autokraten hinaus.

