Allgemein

Wunder von Wien oder: Wir sind Kaiser beim Basketball in Miniatur

Zumindest die älteren, aber auch jüngere Semester, die den (TV-) Film gesehen haben, erinnern sich an das Wunder von Bern, als die später ziemlich gelbsüchtigen deutschen Fußball-Außenseiter gegen mehr oder weniger zehn vermeintlich unschlagbare Ungarn (mit dem verletzten, damals nicht austauschbaren Puskas) ein 0:2 in ein 3:2 und in den großen WM-Triumph verwandelt hatten –  begleitet vom Bronze-Trostpflaster für uns Österreicher, die davor von Fritz Walter, Rahn und Co mit 6:1 deklassiert worden waren. Ja, es war so etwas wie die nicht nur sportliche Wiedergeburt oder Auferstehung der Totgeglaubten, das nicht nur Balsam für die gebeutelte deutsche Seele war, sondern auf weltweites Echo stieß.

Das spät verfilmte Wunder von Bern liegt exakt 70 Jahre und ein bisserl was zurück, während in heimischen Medien aus aktuellem  Anlass das Wunder von Wien bejubelt wird. Was heißt EIN Wunder? Mitnichten! Doppelt hält schließlich, wie schon das Sprichwort sagt, noch viel besser! Der langen Rede kurzer Sinn handelt es sich um 3×3-Basketball mit einem Quartett-Kader zum Austausch. Und da hat Österreich auf der Kaiserwiese neben dem Riesenrad im Wiener Wurstel-Prater am Sonntag gleich zweimal zugeschlagen beim postolympischen Europacup des Weltverbandes FIBA! Einmal durch die von Captain Kaltenbrunner angeführten Herren, einmal durch das Rollstuhlteam der Behinderten-Sportler! Welch eine Entschädigung für die leider verpasste Olympia-Qualifikation! Applaus, Applaus! immerhin haben die Männer die serbischen Titelverteidiger entthront. Und wo der frischgebackene Olympiasieger Holland, gegen den wir in der Vorrunde von 8-Dreier-Gruppen noch verloren haten, am Ende im Niemandsland landete. Was soll man da, rotes Wien hin, Glückwünsche vom (Sport) Stadtrat her, anderes sagen als den TV-Hit-Titel zu zitieren: Wir sind Kaiser! 

Gratulation zu Doppel-Gold, erlaube mir aber zu sagen: Richtiger (Kaiser)-Platz, falscher Zeitpunkt! Und sozusagen Kaiser en Miniatur. Würden die (Chef) Olympier in ihrem Drang, den oft kurzlebigen Zeitgeist zu befriedigen, nicht immer neue, durchaus diskutable Sportarten, oft Surrogate von Klassikern, ins Programm aufnehmen, würde – da kann man mich gern als Nestbeschmutzer verdammen – kein Hahn nach solch Pseudo-Titel-Triumphen krähen. Wird ja wohl einen Grund haben, dass die US-Amerikaner und andere Korbjäger von Superklasse, diesem Mickey-Mouse-Basketball die kalte Schulter zeigen. Und wie hoch die Motivation des Gold-Trios aus dem siegreichen Oranje-Quartetts bei einem offiziellen Europacup, der inoffiziell als EM verkauft wurde, wirklich war, sei auch dahingestellt.

Natürlich stimmt der Satz, der gebetsmühlenartig kommt wie das Amen im Gebet, dass man auch so etwas erst gewinnen muss oder aber, dass man nicht mehr als gewinnen kann. Aber wenn vom Wunder in Wien die Rede ist, dann ist das eine Verdrehung sportlicher Realität, weil mir und echten Basketballfans ein wenn auch nur drittes Medaillenwunder in Paris lieber gewesen wäre, das  aber leider vorweg nicht gespielt wurde. Und was unser Nationalteam im klassischen Basketball trotz eines NBA-Topstars wie (mitunter, aber nicht immer) Jakob Pöltl betrifft, so hinkt es weit hinter Erfolgen her, die es vor fast 50 Jahren schon gab, als unter dem legendären  Coach Jan Hluchy solche Legenden wie der leider schon verstorbene Erich Tecka der Aufstieg in die EM-Gruppe A der besten Acht in Zeiten des Ostblocks geschafft worden war. Längst vergessen, aber seitdem unerreicht…

Womit wir dort sind, wo ich schon einmal den Zeigefinger hingesteckt hab´. Österreichs Sport begeilt sich an Events, die international eher zweit- bis drittklassig sind, aber dank medialer und politischer Querverbindungen als Nonplusultra verkauft werden, ohne zu hinterfragen, was davon bleibt, wenn provisorische Courts samt Tribünen wieder geräumt werden. Wo, bitte vielmals, steht Österreich im klassischen Mannschaftssport? Selbst fürs hochgelobte Rangnick-Fußball-Team war im Euro-Achtelfinale gegen die Türken schon Endstation, auch wenn Pech dabei war!

Weder im Handball noch Volleyball, ganz zu schweigen vom Basketball, ist Österreich seit Jahrzehnten für Sommerspiele qualifiziert und nur dann und wann bei WM- oder EM-Endrunden dabei wie jetzt die (EM)-Landhockey-Spieler, die übrigens im nicht ganz so kleinen Kleinformat des Hallensports (mit zwei Toren und nicht einem) sogar Weltmeister waren. Aber niemand hätte vor einem guten Jahr von einem Wunder von Südafrika geschrieben oder gesprochen oder sogar um die Wette gejubelt. Alles eine Frage von Lobby, oder? Wer weiß, vielleicht wird auch noch der Fußballkäfig demnächst olympisch, wer weiß. Man darf sich eben in Zeiten wie diesen, in denen PR offenbar fast alles ist, was zählt, über nichts mehr wundern, gell…  

 

 

 

 

Zum Kommentieren hier klicken

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Meist gelesen

To Top

Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen ein angenehmeres Surfen zu ermöglichen