Vorweg möchte ich festhalten, dass ich schon immer ein großer Fan von Jannik Sinner war, dessen Tenniskunst, Kampfgeist und bubenhaftes Charisma mich begeistert hat. Nichtsdestotrotz finde ich zumindest meinem Rechtsempfinden nach höchst seltsam, dass jemand, der schon im März zwei einige Monate lang geheim gehaltene, positive Dopingtest mit welcher Erklärung immer abgeliefert hat, frisch und fröhlich von hochdotierten Turnieren über noch weit höher bezahlte Exhibitions bis zum morgigen ATP-Finale in Turin weiter spielen, kassieren und umjubelt werden kann, als wäre nichts geschehen …
Eine für meine Begriffe doch eher seltsame bis laxe und langatmige Vorgangsweise der Welt-Antidoping-Agentur WADA, ich nicht ganz nachvollziehen kann. Was steckt dahinter, dass in diesem Falle sozusagen blinde Kuh von den zuständigen Instanzen gespielt wird? Will man dem Tennissport grundsätzlich nicht schaden, indem seine unumschränkte Nummer 1 nicht aus dem Verkehr gezogen wird. Kann und darf man einen Sympathieträger nicht sperren? Oder ist´s einfach nur Taktik, möglichst viel Gras über die Affäre wachsen zu lassen, ehe der Mann aus Sexten in Südtirol in der Turnier- und Winterpause aufatmen und sagen kann: Gut ist´s ´gangen, nix is g´schehen!
ich möchte nu daran erinnern, wie selbst die eigenen, heimischen Medien etwa in und nach Turin oder zuletzt bei der Heim-WM in Seefeld fast begeistert aufgeheult hatten, als einige unserer Biathlon- und Langlauf-Rohrkrepierer auf frischer Tat ertappt worden waren. Da gab´s bis hin zu Gerichtsprozessen gegen sportliche (Doppel) Nullen eine geradezu aggressive Stimmung gegen österreichisch Athleten wie Trainer, die mitunter wie Schwerverbrecher hingestellt und sogar behandelt wurden. Beim positiven Dopingtest, den die nach Baby- und sonstiger Pause demnächst wieder in den Langlauf einsteigenden Norwegerin Johaug ließ man seinerzeit mehr oder weniger Gnade vor Recht ergehen, weil sie einen offenbar verunreinigten Lippenbalsam als Sündenbock verkaufte.
Die einzigen Verlierer in dieser höchst dubiosen „Hängepartie“ waren Sinners Masseur und sein Physiotherapeut, die den Schwarzen Peter und vielleicht ein bisserl ein Abfertigungsgeld in die Hand gedrückt bekamen. Das wird ja für den Dolomiten-Mann nicht die Rede wert sein, da er doch nach Absagen für Wien (ohne Magen-Darm-Probleme) und Paris beim Showturnier in Ryad schlichte 7,5 Millionen Dollar (brutto!) kassierte. Sympathisch und vor allem Publikums-Magnet musss man offenbar heutzutage sein, damit einerseits Augen zugedrückt, andererseits die Konten geöffnet werden. Trotz Damoklesschwert oder auch nicht? Also geht´s morgen in Turin für den italienischen Südtiroler wieder weiter und weiter. So atemberaubend wie sein Tennis.