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Silber-Delfin Bucher oder: Wie man Selbstüberwindung im Trainingsalltag übt

Es waren beim Anschlag nur elf läppische Hundertstelsekunden, die ihn von einem historischen WM-Triumph auf der olympischen 50m-Langbahn trennten. Ein Wimpernschlag, nicht mehr, um schwimmsportliche Solo-Geschichte zu schreiben. Aber auch als Vizeweltmeister über 100m Schmetterling in 51,28 Sekunden steht der 23jährige Simon Bucher, Wahllinzer aus Innsbruck, jetzt auf der Langbahn auf einer Stufe mit einem Markus Rogan und einem Maxim Podoprigora, die sich vor 23 Jahren binnen 24 Stunden bei der Fukuoka-WM damals sensationell versilbert hatten.

Wie Martin Espernberger über 200m, so nützte auch der zweite Mister Butterfly für oder aus Österreich die Gunst der Stunde, um aus dem Schatten des aus rätselhaften Gründen diesmal schwächelnden, jahrelangen Alleinunterhalters Felix Auböck in klassischen Disziplinen im klassischen 50m-Pool zu flattern. Es gelang ihm mit einem starken Finish, bei dem er das Letzte aus seinem Körper herausgeholt hatte – beim Anschlag auch physisch am Anschlag.

Selbstüberwindung, gelernt in einer Vorbereitung, die an und oft über Grenzen geht. Auch wenn dem Silber-Delfin der größte Coup der Karriere fast die Red´ verschlug („Ich bin sprachlos!“), so fand er dann doch die richtigen Worte für den Kraftakt auf den letzten 15 Metern. „Dafür trainiere ich auch so hart. Und darum steh´ ich jetzt da, wo ich bin!“ In Abwesenheit des US-Weltrekordlers Dressel (49,50) und des ungarischen Topstars Milak nur um ein Zehntel besiegt vom neuen Portugal-Star Diogo Matos Ribeiro (51,17), auch Weltmeister im 50m-Sprint.

Schon als Teenager, der beim TWV in Innsbruck von Wolfgang Grünzweig großgezogen worden war, ehe er des fehlenden 50m-Hallenbades wegen in den Olympia-Stützpunkt in Linz wechselte, hatte Bucher sein großes Potenzial angedeutet. Nicht nur, aber vor allem als Finalist der Junioren-EM, ehe er just am Tag des Sports in Wien folgenschwer ausrutschte, sich dabei verletzte und auf den Start bei den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires (2mal Bronze durch Marlene Kahler) verzichten musste. Was er drauf und durch das Langbahn-Training drin hat, das sah man schon bei Olympia in Tokio und bei der WM 2023 in Budapest, als er sich mit Platz 6 in der Weltelite etablierte. Und bei der Rom-EM im August dann entscheidend mithalf, dass das rotweißrote Lagen-Quartett mit Bronze die zweite Staffelmedaille nach dem dritten Platz der 4x200m-Krauler (Rogan, Jukic, Koll, Brandl) bei der EM 2008 eroberte.

Damals, als Rogan noch zweimal Rücken-Gold gewonnen, Mirna Jukic einen kompletten Medaillensatz im Brustschwimmen gesammelt und Bruderherz Dinko noch Silber und Bronze (Lagen) nachgelegt hatte, schien Österreich im Schwimmsport wie aus dem Nichts zu einer neuen Großmacht zu werden. Aber der Schein trog, denn weder Olympia in Peking noch in London lieferten eine Bestätigung vom Vormarsch auf breiter Front. Es blieb vor allem bei Langbahn-Events bei wenigen Solisten, von Zaiser bis Auböck, zu denen sich jetzt Bucher und Espernberger gesellten. Viele, von denen man sich viel mehr versprochen hatte, etwa Kurzbahn-Vizeweltmeisterin Pilhatsch oder Junioren-Vizeweltmeisterin Grabowski, sind inzwischen abgetaucht, untergegangen oder in ihrer sportlichen Entwicklung steckengeblieben.

Nur zu hoffen, dass der nächste Golddukaten beim Nachwuchs, Brust-Juniorenweltmeister Luka Mladenovic, auch bei den Großen den Anschluss zur Weltspitze schafft – und der erst 14jährigen Salzburg-Klubkollegin Katharina Schiessendoppler der Übergang vom Hauch des Wunderkindes zum reifen Teenager gelingt. Immerhin sind sie in Salzburg bei Clemens Weis (Trainer-Präsident) und Plamen Ryaskow (Trainer) in besten Händen. Silber und Bronze sollten aber generell und prinzipiell dazu dienen, unsere Topschwimmer: Innen, sofern nicht eh schon im Ausland, auch daheim zu Höchstleistungen anzuspornen. Und das schon im beinharten, monotonen, physisch wie, psychisch fordernden Training, um später gerade deshalb in Wettkampferfolgen baden zu können, weil alles bis zum Anschlag geübt wurde. Wie bei Bucher und Espernberger.

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