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Tsitsipas oder: Wenn Papierform zum Fetzen wird

Ja, wer hätte das gedacht?! Nein, die Rede ist ausnahmsweise nicht von der bisher für Rotweißrot so goldigen Ski-WM in Cortina, wo Fortuna im Team-Rennen vom Pechvögelchen ausgetrickst und vorzeitig eliminiert wurde. Nein, nein, es geht um Tennis, um die Australian Open in Melbourne, das – auch das muss an erst einmal nachvollziehen – auf einmal wieder die Tore für 40.000 Zuschauer oder mehr am Tag öffnen darf. Ja, wohin ist das (offenbar nicht südafrikanische, aber vielleicht britische oder gar chinesische) Virus im Melbourne-Sommer binnen fünf Tagen entschwunden? 

Womöglich hat das vermaledeite Covid-19 im letzten Abdruck noch schnell Rafael Nadal erwischt und infiziert, wer weiß, schließlich hätte ja, siehe Anfang, nach zwei glatten Sätzen für den 20maligen Grand-Slam-Sieger außer Wett-Hasardeuren kaum jemand einen Cent auf Stefanos Tsitsipas gesetzt, der eigenen Worten nach selbst kaum glauben konnte, dass er auf einmal spielte, als würde er fliegen! Notabene ganz ohne RedBull, welches bei allem Respekt vor dem Energie-Spender allerdings auch unserem Dominic Thiem keine Flügel verleihen hatte können im Ernstfall.

Und wer hätte für möglich gehalten, dass just ein vermeintlicher Muskelprotz, Kraftlackel und Konditionswunder wie den so ausgeschilderten Rafa Nadal ein Fünfsatz-Spektakel gegen einen zwar viel jüngeren, aber eher schwachbrüstig wirkenden Griechen verlieren könnte nach einer anfänglich so klaren Dominanz? Viele, wenn nicht alle, hätten  sich so was nie träumen lassen. Aber für Tsitsipas wurde ein Traum war, mit dem weitere Träume noch ein Stückchen weiter leben.

Aber nichtsdestotrotz schaut´s im Moment ganz so aus, als könnte Novak Djokovic in seinem Down-Under-Apartment den Spuren des Nadal-Wohnzimmers in Roland Garros folgen und – wieder einmal ein Kegel-Resultat – alle Neune in Melbourne und dabei den 18. Grand-Slam-Triumph seiner Karriere zu feiern, nur noch zwei entfernt von seinen älteren Dauer-Erzrivalen Federer und eben Nadal, der mit dem bald 40-jährigen Basler in dieser Hinsicht also weiter auf der Stelle tritt statt den Schritt an die Spitze getan zu haben.

Das sagt uns die sogenannte Papierform, die aber, wie das Beispiel des Djoker-Semifinalgegners zeigt, im Sport immer wieder nur ein unbrauchbarer Fetzen sein kann. Ja, wer hätte je gedacht, dass beim „teil-coronasierten“ Australian Open ein russischer Nobody namens Aslan Kasbekowitsch Karazew (ATP-Nr. 114) die Siebenmeilenstiefel anziehen würde, um in die Tennis-Annalen einzugehen. Mit dem Sieg über Thiem-Bezwinger Dimitrow hat es Karazew (3 Challenger-Siege im Einzel, ATP-Bilanz vor Melbourne 1:7) in der Tat als erster Qualifikant in der Tennisgeschichte geschafft, gleich bei seiner Grand-Slam-Premiere bis ins Semifinale vorzudringen. Historisch!

Kann Karazew, die vordem unbekannte, hetzt neue Größe, zu einem ähnlichen Stolperstein für Djokovic werden, den Mister Melbourne schlechthin, etwa dann, wenn beim Serben der Bauchmuskel nicht mehr mitspielt, wie man das zuletzt beim aktuellen Turnier hatte verfolgen können? Eines aber steht schon fest. Wenn Djokovic seinen Titel nicht verteidigt, dann gibt´s mit einem aus dem Trio Medwedew, Karazew und Tsitsipas nach Thiem beim US-Open einen weiteren neuen Grand-Slam-Turniersieger.

Damit auch mehr als nur ein Signal, dass sich die Ära der alles überragenden großen Drei nach fast zwanzig Jahren dem Ende zuneigt – und in Zukunft die Tennis-Karten ganz neu gemischt werden. Dafür spricht alles von Ratio bis zum Zahn der Zeit, der an Djoker-Nadal Federer schon länger nagt. Aber auch das ist angesichts des Stehaufmännchens, das in jedem aus dem Trio Infernal steckt, wieder Papierform, die täuschen kann.

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