Ich muss gestehen, dass ich die dramaturgische Übersteigerung des Frauen-Euro-Semifinales verpasst hab, weil nach gut einer halben Stunde die Fadesse zu groß und dass Verlangen nach Abwechslung zum Halbtagssport noch größer war. Aber was war schon Frankreich vs. Deutschland, von dem die deutsche TV-Kommentatorin allen Ernstes gemeint hatte, da müsse die neue Polit-Freundschaft für´90 und mehr Minuten ruhen, gegen die finale Neuauflage von Deutschland gegen England, 56 Jahre nach dem legendären Endspiel mit dem noch legendäreren Wembley-Tor von Geoff Hurst zum 4:2!
Diesmal allerdings ist alles anders, diesmal spielt das torhungrige deutsche Popp-Girl mit ihrer Frauenschaft gegen siegessüchtige Löwinnen Albions, diesmal ist´s nicht mehr das altehrwürdige Wembley, das inzwischen durch einen neuen Fußballtempel ersetzt wurde, und diesmal kann kein Linienrichter wie der unselige Bachramows nach Rücksprache mit Referee Dienst auf Tor entscheiden, denn diesmal gibt´s ja längst den VAR, also die vermeintlich letzte unparteiische Video-Instanz, die aber ganz ehrlich und schlussendlich doch wieder subjektiv ist, weil es an ihrem Ermessen liegt, ob eingegriffen, nachgeschaut, bestätigt oder korrigiert wird.
Tofik Bachramow entschied auf Tor…
Kurz gesagt besteht der große Triumph der teuren Hi-Tech darin, dass es – was immer sich beim Grande Finale mit oder Furioso ergeben mag – jedenfalls keinen Bachramow mehr als Zielscheibe gibt, an dem sich die subjektiv um ihren Erfolg betrogenen Frauen samt ihren Funktionären, Fans und Medien das Mütchen kühlen können. Keinen Outwachler (einst) oder Schiedsrichterassistenten (jetzt) wie Bachramow und auch keinen Schiedsrichter wie Gottfried Dienst, der letztlich nach der Pfeife des dritten Mannes tanzt, der den Ton vorgibt. Und da wir schon in England sind, des schon zu Schulzeiten ibligaten „Invisible Man“. Also eines nicht literarisch, aber fußballjuristisch Unsichtbaren.
Entschuldigen Sie, werte Blog-Leser, diesen Ausflug ins human-aber auch hölzerne Vorgestern mit Vergleichen zur computerisierten, digitalen Alu-Gegenwart, der sich zumindest mir instinktiv angeboten hat. Ob eine der technisch, taktisch und spielerisch schon ziemlich fortgeschrittenen Frauen mit Pferdeschwänzen, Zöpfchen oder Löckchen aber so wuchtig aus mehr oder weniger langer Distanz schießen, dass es zu einem ähnlich umstrittenen Wembley-Tor kommt, da kommen mir nach Ansicht vieler Spiele und Durchsicht vieler Statistiken eher große Zweifel.
Zum Schießen aber wär´s, müsste diesmal der VAR zwar kein WM-, aber ein EM-Finale entscheiden. Und dann, Schreck lass nach, womöglich gegen bisher titellose, also ausgehungerte Löwinnen Albions. Alles ohne den deutschen Prügelknaben Tofik Bachramow, für den die Aserbeidschaner daheim nach der Wende sogar eine Statue enthüllt haben als Held der neuen Nation…