Es waren zwei tolle, geradezu königliche Duelle, die sich die vier Semifinal-Neulinge des US-Open, darunter zwei Nummer-1-Kandidaten, im Arthur-Stadium von Flushing Meadow im New Yorker Stadtteil Queens lieferten. So sehr sich der russische Olympiazweite Karen Khachanow und der afro-amerikanische Wien-Finalist und US-Publikumsliebling Frances Tiafoe auch wehrten, letztlich behielten mit dem French-Open-Finalisten Casper Ruud und dem spanischen Himmelstürmer Carlos Alcaraz jene beiden Favoriten die Oberhand, die am heutigen Sonntag dann im direkten Duell auch entscheiden, wer die neue Nummer 1 im Welttennis wird.
Nicht nur und erst dieses Beispiel beweist so nebenbei auch, wie schnell sich das Rad dreht, kaum dass sich die vermeintliche Endlos-Ära der großen Drei (Federer-Djokovic-Nadal), in die mitunter als Vierter höchstens noch Andy Murray hat reinspucken können, dem Ende zuneigt. Und dieser letztlich vom Außenseiter-Endspiel zum Traumfinale mutierte Schlagabtausch um die Spitzenposition hat auch einen höchst interessanten, aber mehr als zum Nachdenken anregenden, frustrierenden Aspekt und Hintergrund, was Österreich betrifft. Genauer gesagt unsere Tennis-Herren, von denen ein Quartett vom schönen, ziemlich erfolgreichen Kitzbühel nach New York ausgezogen war, sich aber kein einziger für die US-Open qualifizieren konnte. Das ist keine schlechte Nachrede, wie manch direkt/ indirekt ínvolvierte Drahtzieher oder Kulissenschieber es gerne hinstellen, sondern sind echte Fakten.
Und damit sind wir beim davor angesprochenen Stichwort Kitzbühel angelangt, das heuer mit dem doch nicht gelungenen Thiem-Comeback, mit einigen heimischen Überraschungen und der überschätzten, finalen Misolic-Sternstunde mit Hilfe der Medienpartner wie ein Wimbledon der Alpen verkauft wurde. Angesichts des Dahindümpelns von Thiem und einer ganzen, so gut wie verlorenen Generation beim gut gemeinten, bestens organisierten Tulln-Challenger sei auf das Kontrastprogramm eines gewissen Carlos Alcaraz hingewiesen. Jawohl, just auf jenen spanischen Teenager, der mit seinem ersten Grand-Slam-Titel beim US-Open auch die Nr. 1 im Visier hat. Und was soll der mit Kitzbühel zu schaffen haben? Viele werden sagen: Nicht, dass ich wüsste!
Irrtum, meine Damen und Herren, Irrtum! Vor einem guten Jahr, also vor 13 ½ Monaten, gastierte der damals 18jährige Don Carlos mit einer Wildcard in der Gamsstadt, dürfte aber dort nur einige Trainingstage lang die gute frische Luft geatmet haben, sonst hätte dieses Jahrzehntetalent wohl nicht gleich zum Auftakt gegen den Lokalmatador und Doppelspezialisten Erler aus Kufstein die Segel gestrichen, wäre er nicht gleich nach Amerika geflogen, um mit seinem ersten US-Open-Viertelfinale seinen einjährigen, unaufhaltsamen Aufstieg bis ins Endspiel zu starten gegen – ja, gegen Casper Ruud, nicht nur (Trainer-)Sohn eines ehemaligen Muster- und Skoff-Gegners aus Oslo, sondern auch Sieger 2021 der Generali Open in Kitzbühel! Unglaublich, wie eng verschlungen die Tenniswege sein können.
Aus Erler ist zwar (mit Miedler) ein halbwegs passabler Doppelspieler geworden, der im Vorjahr in Kitzbühel gewann und jetzt beim Tulln-Challenger nach einem Semifinalsieg gegen die Landsleute Weissborn-Neuchrist im Endspiel gegen eine tschechisch-ukrainische Kombination triumphierte. Aber während Freund Alcaraz jetzt um die Spitzenposition im Single kämpft, hat´s Alexander, mit 1,93m eine Größe, mit vereinten (Miedler 7x)-Kräften zwar zu acht Challenger-Doppelsiegen und Platz 84 im Doppel-Ranking gebracht hat, im Einzel allerdings rangiert er auf Platz 714 unter ferner spielten.
Bei allem Respekt vor Erfolgen auf zweiter und dritter Challenger- und Future-Ebene sei die Frage erlaubt, warum hierzulande seit Muster, Skoff, Koubek und Melzer mit Ausnahme des privat aufgebauten (Bresnik), inzwischen rekonvaleszenten Grand-Slam-Champions Thiem alle allzu früh hochgelobten Talente der übertriebenen Vorschusslorbeeren so gut wie nie gerecht werden konnten. Fehlendes Tennistalent oder Ballgefühl alleine kann´s nicht sein, um diese direkten Wege in die Sackgasse und/oder Stagnation zu erklären.
Ich bin schon neugierig, wie der gordische Knoten auf höherer Ebene durchschlagen wird. Aber nicht etwa mit einem Heim-Sieg im Daviscupduell mit den Pakistani, sondern einer Erfolgsgeneration, die wieder natürliche und nicht hausgemachte Euphorie erzeugt. Es muss ja nicht gleich ein Alcaraz oder ein Solist wie Ruud sein, die auf dem Weg zur Spitze so oder so mit Kitzbühel zu tun hatten wie ehedem auch ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer als Gamsstadt-Finalist 2009. Es liegt auch in seinen Händen oder Konzepten, ob sich Hoffnungen erfüllen oder Unvollendete bleiben, das wird man ja noch sagen und auch erwarten dürfen…