Ich war zwar nicht dabei, als Thomas Muster anlässlich eines Gedenkabends für den verstorbenen früheren Stadthallen-Turnierdirektor Leo Günther Huemer in Wien des Langen und des Breiten ganz offen und öffentlich seine Meinung zu und über Dominik Thiem kund und zu wissen tat. Ja, ich war nicht dort, hab´ aber als alter langjähriger Wegbegleiter von Tom mit Muster nicht nur nach diesem Abend, sondern immer wieder über Thie,m und unser Tennis gesprochen. Da Muster gute zwei Wochen anno 20o21 auch im Thiem-Team gewirkt oder gewerkt hat, weiß er schon, worüber und wovon er redet. Vor allem über unübersehbare Fehlentscheidungen und damit verbundenen Fehlentwicklungen, die der „Dominator“ als „Tominator“-Nachfolger derzeit Schritt für Schritt zu korrigieren versucht.
Spät, aber doch auch mit der Trennung von seinem Langzeitcoach Nicolas Massu, der seinerzeit noch vom Ex-Mentor, Ex-Trainer, Ex-Manager Günter Bresnik als verlängerter Arm geholt worden war. Im Gegensatz zu Bresnik, von dessen hartem Regime ich mich in Lokalaugenscheinen bei gnadenlosem Drilltraining an turnierfreien Tagen in Nizza, in Lyon oder in Hamburg überzeugen konnte, muss sich Thiem beim nicht unwitzigen Chilenen wie in einer Wohlfühloase bei Schönwetter gefühlt haben, ohne zu bemerken, dass – schon lange vor der langwierigen Handgelenksverletzung (Juni 2021) – immer dunklere Gewitterwolken aufziehen.
Und so ist der hochveranlagte und von Kindesbeinen an (bei Bresnik) bestens ausgebildete Dominic dann unter Blitz und Donner vom Regen in die Traufe gekommen und in einen Strudel gekommen, bei dem er sich in einem (Teufels)-Kreis drehte. Wenn Sie mich oder doch besser Muster fragen, immerhin einfacher Grand-Slam-, 44facher Turniersieger auf allen Belägen außer Rasen, und Nummer 1 der Welt, dann geht es bei der Thiem-Zukunft vor allem darum, ein geflügeltes Wort in die Tat umzusetzen, das da lautet: Wo ein Wille, dort ein Weg. Oder noch präziser formuliert: Wo der Wille stark genug ist, führt er auch auf den rechten Weg.
Andersrum bedeutet es, dass bei Thiem mit den neuen Leuten, die er jetzt gesucht und gewählt hat, voran dem neuen, weithin unbekannten Coach Benjamin Ebrahimzadeh, das Herz in erster Linie wieder für Tennis schlägt – und er damit auch alles der alten, neuen Liebe oder dem inneren Antrieb und Ehrgeiz unterordnen muss. Wer wann wo immer versucht, auf mehreren Hochzeiten zur gleichen Zeit zu tanzen, der wird sich, wie der Volksmund sagt, zwischen zwei Stühle setzen. Zum Wohle des immer noch mit Abstand besten heimischen Tennisspielers und damit im Interesse des österreichischen Tennissports wäre es wünschenswert, würde es nach dem Mutmacher Madrid mit der hauchdünnen Niederlage gegen Stefanos Tsitsipas mit dem Ex-US-Open-Sieger wieder steil bergauf gehen.
Damit die alten Waffen in seinem Tennis-Arsenal aber nicht nur teilweise, sondern immer so funktionieren wie in guten Tagen, als er die Nummer 3 der Welt und Nummer 1 in New York war, müssen sie auch tagtäglich gut geölt und bestens gewartet werden. Zu viel der Rast – oder Schlendrian frei nach Thiem genannt – hat lange genug Rost angesetzt. Jetzt stellt sich nur die Frage, wie lange es dauert, bis er endlich entfernt ist – und der beste Thiem, den es gab, zum Vorschein kommt. Was im heutigen Tennis alles möglich ist, wenn man sich dementsprechend anstrengt, das haben zuletzt der Chinese Zhang und noch viel mehr der Deutsche Jan Lennart Struff, der sich als Lucky Loser bis ins Madrid-Masters-1000 durchschlug, vorexerziert. Mit der Betonung aufs Exerzieren…