Auch auf die latente Gefahr, mir wieder Feinde zu schaffen, werde ich immer wieder aufs Neue in meiner Ansicht bestätigt, in einem Land manch vorgefasster medialer Meinungen, Vorurteile und stereotypen Klischees zu leben. Wie etwa, was den vielleicht nicht oder vielleicht doch besten, sicher aber erfolgreichsten Tennisspieler aller Zeiten betrifft, sprich: Novak Djokovic. Wenn ich mit vielen, sonst sportlich ziemlich gut beschlagenen Freunden seine im Normalfall siegreichen Spiele nicht mehr live vor Ort wie früher, sondern aus der TV-Perspektive verfolge, dann höre ich fast nur Negatives über den Serben, der in charakterfester Opposition zu vielem steht, was der sogenannte auch politische Mainstream fast schon zwanghaft verlangt. Impfmuffel gehört da schon zu den moderatesten Abwertungen bis Verunglimpfungen (s) einer Person, in der – ich sage das meiner Erfahrung in seiner nächsten Nähe wegen – ein durch verbissene Konzentration versteckter, unglaublicher Verwandlungskünstler steckt.
Eben deshalb, weil es der Djoker wie kein anderer aktueller Superstar versteht, auf dem Platz und im Schlagabtausch einen Schalter umzulegen, alles dem Tennis und dem Erfolg unterzuordnen, weil er weder Eleganz a la Federer an den Tag legt noch (inzwischen verbotene) Stierkampf-Aura verbreitet wie Nadal, können sich die meisten (Kritiker) gar nicht vorstellen, dass dieser mittlerweile 36jährige, vielleicht universellste Tennisspieler der Geschichte eine durchaus komödiantische natürliche Ader besitzt, ganz abgesehen von seiner hohen Intelligenz und seiner fließenden Vielsprachigkeit.
Witzige Ironie am Rande, dass der nunmehrige ATP-Final-Rekord-Sieger (7) wie der von ihm in der (Endspiel)-Revanche geschlagene, 14 Jahre jüngere Südtiroler Jannik Sinner die sportlichen Karrieren als vielversprechende, dann verhinderte Skirennläufer begonnen hatten. Und wie Djokovic, der sich mit und zum Schlitzohr Vajda (alter Muster-Skoff-Gegner) die Granaten Becker und danach Ivanisevic geholt hat, so hat sich der Südtiroler unter dem ehemaligen Agassi- und Halep-Coach Cahill zu einem zweimaligen Masters-Sieger und einem Spieler mit Nr.-1-Potenzial entwickelt, der einmal den Djoker ablösen könnte.
Wenn wir von Klischees reden, dann trifft das auch auf das morgige Fußball-Länderspiel um die Goldene Ananas gegen unseren liebsten Feind Deutschland zu. Je mehr der vierfache Exweltmeister sportlich am Hungertuch zu nagen beginnt, so gilt er für viele weiterhin schablonenhaft als eine Art nachbarliches Schlaraffenland für eine Vielzahl an Legionären, die dort nicht besser werden, aber besser verdienen und leben als bei uns.
Und wenn so ein Prestigeduell ansteht, dann wird ja noch immer Cordoba 78 mit dem unvergesslichen Krankl-Doppelpack vor 45 Jahren als Leuchtturm-Denkmal ausgegraben, obschon die Deutschen von uns vor einer ihrer letzten WM-Blamagen in Klagenfurt mit 2:1 besiegt wurden. Wieder so eine witzige Ironie am Rande, dass sich Österreich unter dem deutschen Strategen Ralf Rangnick auch einer guten Spielergeneration mit vielfältigen Hintergründen wegen in einem sukzessiven Aufwärtstrend befindet, den die dritte Euro-Teilnahme in Folge unterstreicht, während sich die deutsche Nationalmannschaft trotz mehrfachem Teamchefwechsel (Loew, Flick, Nagelsmann) in einer unübersehbaren, womöglich unaufhaltsamen Abwärtsspirale befindet.
Das hat mit Verlaub nicht nur die 2:3-Niederlage gegen die Türkei gezeigt, am deutlichsten der bisher einzige Sieg unter dem für mich viel zu hochgejubelten Nagelsmann. Ehe die DFB-Truppe in den USA mit 3:1 gewann, war sie vor der Pause von den Jung-Amis schwindlig gespielt worden. Wie gesagt, viele alte Parameter haben längst ihre Gültigkeit und ihren Wert verloren, weil mit der Zeit auch die Ergebnisse über sie hinweggegangen sind.
Dieser Beispiele gäb´s noch viele bis hin zum Skisport, wo aus einem vordem nur Segel- und Badeparadies Kroatien eine Ski-Macht wurde, ein Grieche eine WM-Geschichte schrieb und im Fußball die Färöer-Insulaner nicht nur uns mittlerweile Beine gestellt oder Schrecken eingejagt haben, wenn auch ohne Tormann mit Zipfelmütze. Weil vieles anders oder gar auf den Kopf gestellt wurde, bedarf es auch neuer, nicht nur vordergründiger Betrachtungsweisen. Darunter auch bei Novak Djokovic, der offenbar trotz hohen Tennisalters leichter Rekorde bricht als Vorurteile.