Charly Kahr gestorben. Eine Meldung, auf die man nicht gefasst war trotz der 91 Jahre, die er erreichte. Irgendwie hatte Charly selbst im hohen Alter so etwas wie Zeitloses an sich, vielleicht auch darum, weil er über Jahrzehnte ein Teil meines Journalistenlebens gewesen war. Zuletzt noch vor wenigen Jahren, als er sich in der aufgewallten, inzwischen abgeebbten Me-too-Bewegung als Endachtziger noch vor Gericht zu Missbrauchsvorwürfen zur Wehr setzen musste, die ehemalige Schützlinge – ich verschweige bewusst die Namen der Damen – unter seiner ÖSV-Amtszeit gegen ihn nach fast 50 Jahren erhoben hatten…
Damals brach Annemarie Moser, die er als jungen Teenager Pröll entdeckt und gefördert hatte, für ihn vor Gericht eine Lanze, unternahm alles, um jenen Mann und Trainer, der am Beginn ihrer einzigartigen Karriere gestanden war, zu entlasten. Ja, wer Charly Kahr sagte, der dachte unwillkürlich an Moser-Pröll, aber ebenso an Franz Klammer, den Abfahrtskaiser, und all die heimischen Abfahrtsstars, die unter ihm zu Gold, Silber und Bronze, zu so vielen Siegen und Titeln gerast waren, dass ihm darob taxfrei der Ehrentitel „Downhill-Charly“ verliehen worden war. Abfahrt, die Königsdisziplin, hatte für ihn Priorität vor den Slalomläufern, die er nicht nur einmal als Zickzack-Fahrer bezeichnete, ohne sie abqualifizieren zu wollen. Unter ihm gab´s ja auch einen Hansi Hinterseer und Klaus Heidegger, die Kitzbühel-Sieger. Und andere Granden.
Charly war kein Herr Karl, sondern ein Trainer vom alten Schlag, also auch ein harter Hund, der die Peitsche knallen ließ in seinen Glanzzeiten ohne Widerrede. Als er nach dem Sarajevo-Flop 1984 (mit der einzigen Bronzenen des von ihm vom Slalomstarlet zum Abfahrtsstar gemachten Anton „Jimmy“ Steiner) und der titellosen, bescheidenen Bormio-WM 1985 den Hut nahm oder nehmen musste, hatte sich seine Form und Philosophie als Trainer bereits überlebt. Die Zeit war über ihn hinweggegangen wie über andere, die nicht mit der digitalisierten Sport-Welt aufgewachsen waren.
Im harten Hund, von dem gerade die Rede war, steckte aber auch ein weicher Kern eines Steirers vom Lande, der anders als so manch verbaler Gutmensch nicht nachtragend war. Auch ich bin des Öfteren mit ihm zusammengekracht, vor allem anfangs, als er mich noch nicht richtig einordnen konnte als Alpinreporter, der (aus redaktionellen Einteilungen) von den Skispringern kam. Später wurde zwar mitunter auch noch um des (Abfahrts-) Kaisers Bart gestritten, aber man versöhnte sich ebenso schnell. Hart, aber bei aller Härte auch fair, so war er dann immer beim Trainer i. R.
Ja, je älter Charly wurde, je weniger er mit uns Reportern als Cafetier und Sportgeschäftsbesitzer zu tun hatte abseits vom Schladming-Night-Race, desto mehr schlug die Versöhnlichkeit in ihm auf seine älteren Tage durch. Umso mehr trafen ihn dann die Vorwürfe, umso weniger suchte er dann die Öffentlichkeit. Jetzt ist mit seinem Tod das Sportland Österreich wieder um eine Legende ärmer. Mit allen Eigenschaften, die ihn prägten, wird er als Downhill-Charly unvergessen bleiben.