Wie eingangs erwähnt, so schiene mir auch ein Turnier der Top 8 oder Top 16 alles andere denn WM-reif oder WM-Charakter zu besitzen, weil genau das fehlt, was das Salz in WM-Suppen ist – der Überraschungs-Coup, den Außenseiter als Riesentöter oder Favoritenschrecks landen können. Sensationen also, die nicht nur Schlagzeilen liefern, sondern so in die Annalen eingehen, dass man nach Jahren noch davon spricht wie über das unglaubliche 1:0 der Nordkoreaner gegen Italien bei der Fußball-WM 1966 in England. Oder leider auch sdas 0:1 der Österreicher gegen ein Färöer mit Zipfelmützen-Tormann, das nicht einmal auf der Heimatinsel spielen konnte, sondern der fehlenden Infrastruktur wegen ins schwedische Landskrona hatte ausweichen müssen.
Tennis-WM zur Jahresmitte sinnvoller als Saisonfinale der Geschlauchten
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Jannik Sinner, der zuletzt geschwächelt hatte, kam nach kurzer, schöpferischer Pause als Berrettini-Ersatz doch noch ins ATP-Finale von Turin, witterte seine Chance, sah und siegte gegen den Polen Hubert Hurkacz weit glatter als es vordem Medwedew gelungen war. Man kann, darf und soll zwar nicht von einem Spiel und einem Gegner auf den nächsten schließen, was aber meine bescheidene Meinung anbelangt, so kann unter den Top 8 bis 10 im Tennis heutzutage sowieso jeder jeden schlagen, da genügen auf diesem hohen Niveau schon ein, zwei Prozent auf oder ab.
Und diese These trifft erst recht auf ein solches Top-Turnier am Ende einer langen, körperloch wie mental oft aufreibenden Saison zu, wenn nicht immer, aber immer öfter bei den erfolgreichsten Stars der Ofen aus ist – wie nach Berrettini jetzt auch bei Tsitsipas, mit dem es seit den US-Open bergab gegangen war, bis er heute das Handtuch in Turin warf. Und wissen Sie eigentlich so nebenbei noch, wer von den großen Drei d(Federer, Nadal, Djokovic) er ersten beiden Jahrzehnte des dritten Jahrtausends zuletzt beim Saisonfinale triumphiert hat? Es war Novak Djokovic anno 2015! Auch Murray (2016) gehörte noch zu den „Auserwählten“, ehe der Reihe nach jene siegten, die noch nie ein Grand-Slam-Turner gewonnen hatten: Dimitrow, Zverev, Tsitsipas und Medwedew, der erst heuer beim US-Open gegen den offenbar in historischen Golden- und Grand-Slam-Neurosen verstrickten Djoker seinen ersten Major-Titel holte.
War das Saisonfinale früher als „Masters“ tituliert und später dann als sportlich ausgetragene statt quasi virtueller Weltmeisterschaft inszeniert worden, so begnügt man sich jetzt mit dem ATP-Finale unter Ägide eines Großsponsors. Trotz der vier Grand-Slam-Turniere, mit denen die wichtige Tradition im Tennis hochgehalten wird, stellt sich mir beim Blick nach vielen anderen Sportarten die Frage: Warum gibt´s, bitte vielmals, im Tennis zu einem vernünftigen Mitsommer-Termin keine Weltmeisterschaft (Umit 64 oder 128 Spielern) wie in der Leichtathletik, im Schwimmen, im Fußball, Handball, Basketball, Volleyball, Rudern, Paddeln etc., um einige Beispiele zu nennen.
Ob Jannik Sinner aus dem Pustertal jetzt, Turin-Ersatz hin oder her, den Polen Hurkacz abserviert, das mag die Tifosi-Seele nach dem Berrettini-Pech besänftigen, ist aber – überspitzt formuliert – von so hohen Wert, als würde in Peking ein Radl umfallen. Und ist am Ende des Tages/Jahres nicht einmal ein Beistrich in der Tennisgeschichte…