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Sport-Wahlen oder: Luise-Birnen und Golden-Delicious-Äpfel

Der Wechsel hat sich so still und leise vollzogen, dass nur die Sport-Insider mitbekamen, dass die ehemalige Vizekanzlerin und Wüstenrot-Generalin Susanne Riess schon vor längerer Zeit als neue Sporthilfe-Präsidentin installiert worden ist. Und da ein Unglück bekanntlich selten allein kommt, haben erster und zweiter Lockdown auch verhindert, dass sich die mit dem heimischen Spitzensport seit ihrer früheren Zeit als ÖSV-Pressereferentin verbundene Neo-Präsidentin auch medienwirksam hätte in die Auslage stellen können. Und dann findet zu allem Überdruss die traditionelle, alljährliche Gala mit den gewählten Sportler (Inne)n des Jahres durch die Anti-Covid-19-Maßnahmen nicht live auf offener Event-Bühne statt, sondern nur noch als ORF-TV-Produktion statt. Shit happens, so sagen Anglo-Amerikaner. Sorry, bad luck.

Womit wir beim eigentlichen Thema sind, das Sportlerwahlen heißt. Dabei handelt es sich erstens um subjektive, mit Sympathie- oder Antipathie verbundene Entscheidungen wahlberechtigter Medienkollegen, zweitens zwingen sie dazu, Luise-Birnen mit Golden-Delicious-Äpfeln zu vergleichen, also oft total unterschiedliche, konträre Sportler/Sportarten über den Kamm zu scheren, besser: Knopfdruck am Laptop. Ja, das ist, wenn es nicht Mega-Resultate oder Top-Sensationen einzelner gibt, die Krux an diesen Wahlen, einmal abgesehen davon, dass der echte Winter des Kalenderjahres nicht einmal noch begonnen hat, sofern es ihn heuer tatsächlich mit Weltcup-Events doch noch hereinschneien sollte.

Und ein Kreuz ist´s dann erst recht, wenn man wie unsereins als altgedienter Journalist mit Zig-Dutzenden Teilnahmen an Olympia, WM, EM, Weltcup etc. sein „Kreuzerl“ oder „Hakerl“ nur bei jenen SportlerInnen machen darf, die von einer Kommission nach bestem (Ge)Wissen vor-selektioniert wurden, was leider der Weis-, nein: Peinlichkeit letzten Umkehrschluss zulässt, dass nämlich wahlberechtigte (nicht nur Jung-)Kollegen sich offenbar in ihrem Job so wenig auskennen, dass man ihnen auf die Sprünge, sprich: Stimmen helfen muss.

Man mag mir vorwerfen, dass ich Partei sei, weil mir der Schwimmsport seit Jahrzehnten auch aus Fitnessgründen besonders nahe liegt, dessen ungeachtet aber finde ich es höchst seltsam, dass etwa ein Felix Auböck nicht unter den Top 10 der heimischen Sportlerwelt aufscheint, obschon er Ende Juli des zugegeben Meeting-armen 2020er-Jahres bei einem offiziellen Vierländerkampf in Budapest eine bis heute nicht unterbotene Saison-Jahresweltbestzeit im olympischen 50m-Pool auf der klassischen, olympischen 400m-Krauldistanz aufgestellt hat. Mit einer Zeit, mit der er 2018 immerhin Europameister in Glasgow geworden wäre – und die er mit einem neuen Kurzbahnrekord (und zweitbester Zeit der Welt anno 2020) und weiteren Bestzeiten bei der ISL-Serie in der „Schwimmblase Budapest“ bestätigt hat.

Übrigens als Einzelsportler, der sich gegen andere behaupten muss – und nicht etwa wie David Alaba als wichtiger (Bestand-)Teil einer Elf, die mit ihm und mit der er das Triple (Meister, Cupsieger, Champions League) geschafft hat. Wie aber kann man, um einen Schritt weiter zum Tennis zu machen, diese „Titelsammlung“ mit dem ersten Grand-Slam-Triumph von Dominic Thiem bei den US-Open unter schwierigen Covid-19-Umständen vergleichen? Im Grunde Mumpitz, der sich noch potenzieren könnte, würde der zweifellos (schon zweimal) ausgezeichnete Kicker Alaba just jetzt, da er sich mit dem 20-oder-mehr-Millionen-Vertragspoker bei den Bayern ins Abseits befördert hat, trotz allem über den erst zweiten Grand-Slam-Sieger aus Österreich nach Thomas Muster gestellt.

Und auch bei den Sport-Damen musste unsereins verwundert feststellen, dass eine Michaela Polleres, aktuelle Vorzeige-Judoka, weder unter den Top 10, geschweige denn  Top 5 der Wahlliste aufscheint, obschon sie in der Kategorie bis 70 kg immerhin die Nr. 4 der aktuellen Weltrangliste ist – und zuletzt Bronze beim Grand-Slam in Budapest mit einem Ippon-Sieg über die Olympiasiegerin und Weltmeisterin geholt hat. Nichts gegen die eine oder andere, die mit Bällen oder Kugeln spielen, aber meiner bescheidenen Meinung nach müsste und sollte man nicht zuletzt im Jahr vor Sommerspielen die Top-Leistungen von Olympiahoffnungen honorieren statt sie zu ignorieren. Auch Niki (Lauda), der unvergessene Namensgeber der Sportler-des-Jahres-Trophäe, hätte das, da stets gut informiert, sicher so gesehen.

Aber wie gesagt, Sportler-Wahlen haben insofern eigene Gesetze, weil man Fußball nicht mit Billard, Tennis nicht mit Schanzen, MehrkämpferInnen nicht mit Seglern und anderen vergleichen kann. Und angesichts der Corona-Krise fallen jetzt nicht nur Live-(Gala-)Events dem Lockdown zum Opfer, sondern auch leibhaftige und lebhafte Diskussionen um des Kaisers Bart bzw. gekrönter oder geschmähter SportlerInnen-Häupter am geschlossen Wirts- oder Kaffeehaus-Stammtisch. Wie schon vordem erwähnt: Bad luck. Oder: Shit happens. Auch im Sport.

 

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