Tennis

Tennisgigant Nadal oder: Wo ein Phänomen ohne Übertreibungen für sich spricht

Es ist passiert, was an sich zu erwarten gewesen war. Der Weg zum 14. Rekordsieg in Roland Garros und zum 22. Rekord-Grand-Slam-Sieg für Rafael Nadal wurde in einem einseitigen Finale zur Einbahn. Ohne dem Insulaner aus Mallorca einen Zacken aus der Krone des Sandplatzkönigs brechen zu wollen, so muss schon gesagt werden, dass sein Endspielgegner Casper Ruud von der Größe des Augenblicks zumindest so überwältigt wurde wie von der eindrucksvollen, aber auch mitleidlosen Macht Nadals. Auch wenn er anfänglich phasenweise auf Augenhöhe war, auch wenn er im zweiten Satz sogar mit einem Break 3:1 geführt hatte – in entscheidenden Momenten ebenso wie bei wichtigen Schlägen traf der Norweger immer wieder die falschen Entscheidungen.

Mitunter haben mich manche dieser Szenen an Aussagen von Experten wie dem unvergessenen Ronnie Leitgeb erinnert, die auf den notorischen Fehler von Außenseitern hingewiesen haben, gegen einen  favorisierten Megastar etwas ganz Besonderes probieren zu wollen. Und dieses Etwas, das ungeübt ist, das geht dann meistens besonders schief und damit in die Hosen wie ein Stoppball, Cross, Longline oder gar Netzangriff im falschen Augenblick. Das ist das Lehrgeld, das man als Jung-Twen bei der finalen Grand-Slam-Premiere bezahlen muss, wenn es gegen fast schon unendliche Giganten der Szene geht.

Das ist ja auch der Grund, warum seit 20 Jahren mit Ausnahme der drei Musketiere Nadal (22), Federer und Djokovic (je 20) mit dem Doppelolympiasieger und vielfachen Major-Finalisten Andy Murray nur ein anderer Top-Star mehr als einen Grand-Slam-Sieg (3) auf sein Konto gebracht hat. Was gewesen wäre, hätte sich Del Potro nicht folgenschwer verletzt, wäre Dominic Thiem nicht lädiert, würde ein Medwedew nicht schwankende Form zeigen, oder hätte sich Zverev nicht im Semifinale mehrfach überknöchelt … ? Alles Konjunktiv. Gedanken- und Wortspielerei, mehr nicht.

Bis auf weiteres jedenfalls hat Nadal nicht nur seine Herrschaft in Paris prolongiert, sondern damit auch die Rückkehr zur Nummer in Angriff genommen. Er ist und bleibt auf allen Belägen ein Machtfaktor, weil es kaum einen Spieler gibt, der einerseits schwer zu bezwingen ist, andererseits aber bei gegnerischen Schwächen so gut wie jede Gelegenheit eiskalt nützt, um zu punkten und zu siegen. Ob mit dem Rücken zur Wand oder als Mann, der das Gesetz des Handelns bestimmt. Und wer Nadal bei seinem 14. Paris-Triumph erlebt hat, der konnte beim besten Willen auch keine physischen Handicaps konstatieren, er lief rund, er schlug so hart und mit Topspin wie immer, er war gnadenlos, auch wenn sein Gegner seit vier Jahren just in der Nadal-Akademie zu seinem vorerst einmal ziemlich brutal abgebrochenen Himmelsturm angesetzt hat.

Mit all seinen Eigenheiten, auch den Tennis-spezifischen, befindet such Nadal – trotz Djoker – aktuell in einer eigenen Liga. Er hat sich längst einen solchen Heldenstatus im Tennis und im Sport erarbeitet, dass es meiner bescheidenen Meinung nach gar nicht nötig ist, ihn wie viele TV-Moderatoren, Kommentatoren und Kolumnisten noch zusätzlich zu heroisieren als Mann, der die schlimmsten Verletzungen ignoriert und die ärgsten Schmerzen entweder gar nicht kennt oder aber verbeißt. Das Phänomen Nadal allein spricht schon für sich und Bände ohne aufgemotzte Leiden-Märchen.

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