LIVE MIT JOE METZGER

Als Thiem schon k.-o. schien, holte er zum Schlag gegen Supergau aus

Es sah ganz schlecht aus für Dominic Thiem am vorletzten Tag des alten Tennisjahres: Mehr noch, die Lage schien aussichts- bis hoffnungslos für den einstigen US-Open-Sieger. In der ersten Qualifikationsrunde des 250er-Turniers in Brisbane schien Thiem gegen einen 20jährigen australischen Nobody namens James McCabe wie von allen guten Geistern so gut wie verlassen, ehe er eben diese mit dem Rücken zur Wand doch noch rief, um die bösen zu verjagen. So gut wie niemand hätte nicht einmal in Wettbüros einen Cent auf den dominerten Dominic gegeben, der bei 2:6, 3:5, 0:40 und drei Matchbällen am Stück so gut wie ausgeschieden schien.

Aber wie der Schein doch trog! Ganz so, als wäre Thiem bis dahin eine Karikatur seiner selbst gewesen, verwandelte er sich wie ein Zauberer in den einstigen Weltranglistendritten, der auf einmal Weltklasseschläge wie in alten Tagen und besten Zeiten auspackte. Einen nach dem anderen, bis er Ruckzuck den Supergau abgewendet, sich den Weg zu einem mühsamen Sieg in 2:57-Stunden und ein Zweitrunenduell mit einem weiteren Nobody, den Italiener Zeppieri, geebnet hatte.

Zu dieser fast magischen Peripetie im letzten Augenblick gehörte auch eine Regenunterbrechung bei 2:6, 0:1 und Break hinten mit dramatischen Folgen, weil sich beim Wolkenbruch eine hochgiftige Schlange auf den Court verirrt hatte, die erst die Zuschauer entdeckten. Zum Glück konnte sie eingefangen und entsorgt werden. Ironie des abgewendeten Schicksals, dass eben dieses giftige Biest den Angsthasen in Thiem austrieb. Als Tennisspieler, versteht sich, der dann erst so richtig zubiss.

Jetzt stellt sich nicht nur unsereins aus großer Ferne die Frage, ob es ein einmaliges Aufbäumen war, um das Allerschlimmste zum Jahreswechsel zu verhindern oder ein Schlüsselerlebnis, das nach dreijähriger Krise und Verunsicherung zum Katalysator wird, der eine Trendumkehr bewirkt. Abgesehen von Sportarten, in denen ein Lucky Punch oder ein überraschender Wurf binnen Sekunden entscheidet, kann ein einziger oder aber können zwei, drei effiziente Schläge in Folge beim Tennis die gleiche Wirkung nach sich ziehen. Hit the body and the head will die, so hat es einst Schwergewichtsweltmeister Joe Frazier formuliert, ehe er im Madison Square Garden den vermeintlich unschlagbaren Muhammad Ali im „Kampf des Jahrhunderts“ besiegte, einem historischen Duell, bei dem meine Wenigkeit am 8. März 1971 live dabei war.

Das hat auch im Tennis was für sich, das ja mit Schlagabtausch eine sublimierte, unblutige Form des Boxens ist mit Ball, Racket, Finten und dem Ziel, Lücken zu suchen und zu finden, um einen Gegner entscheidend zu treffen. Zum Glück ist das Thiem in dem Moment gerade noch gelungen, in dem er selbst fast schon K. o. zu sein schien. Zum Glück war Sein stärker als Schein. Wir dürfen auf Bestätigung und Trendwende hoffen. Wie schon mehrmals in drei Jahren.

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