Ob Andy Murray (35) nach dem Spruch, dass aller guten Dinge eben drei sind, noch ein solcher Husarenstreich gelingt wie gegen Berrettini und dann Kokkinakis, liess sich aufgrund des frühmorgendlichen, siegreichen Kraftaktes nach sechs Stunden langer Arbeitszeit schwer vorhersagen. Auch deshalb nicht, weil sein dritter Gegner auch jener Gegner ist, gegen den er vor 5 Jahren im Achtelfinale von Melbourne verloren hat: Bautista Agut, die spanische Ballwand, die auch schon den „Djoker“ zur Verzweiflung bis zum Ausrasten beim US-Open 2020 gebracht hat.
Aber das, was der runderneuerte Schotte mit künstlicher Hüfte in seinem Alter mit aufopferungsvollem Einsatz und bewundernswerter Willensstärke mit dem Rücken zur Wand zweimal erzwungen hat, macht aus ihm eine ganz soezielleGrösse, um.nicht zu sagen: einen der ganz Grossen seiner Tenniszunft. Murray, einer besten Returnspieler und Defensivkünstler, rennt auf seine alten Tag wie ein Junger. Er geht aber auch nahtlos zum Angriff über, wenn sich die Chance bietet, das Gesetz des Handelns selbst zu bestimmen. Nicht nur der Routine und der antizipatorischen Gabe wegen ist erein geviefter Taktiker – Murray packt mit Kämpferherz auch viel Hirn eines sowohl schulisch gebildeten als auch bestens erzogenen Sohnes aus.
Das ist weder aus der Luft gegriffen noch irgendwie dahergesagt. Ehe Murray seinen ersten Grand-Slam-Titel und erstes Olympiagold gewann, hatte ich eine (eher zufällige) Begegnung mit dem aufgehenden Briten-Stern beim US-Open. Meine Wenigkeit sass vor den Eingang zur Players Lounge auf der Bank im Freien, wo mir Head-Tennischef Bischof ein paar Insider-Gschichterln zusteckte. Da kam Andy Murray mit Sporttasche daher, wurde von Bischof informiert, wer ich bin – und der Schotte riss zu meinem Erstaunen einen Diener. Alles andere als rotzig oder pampig, sondern halt gute Kinderstube, die ihm gelehrt hat, wie man sich im Alltag benimmt, auch wenn mit einem aus Frust und Zorn in einem Match einmal die Emotionen durchgehen. Auch davon und nicht nur von seiner professionellen sportlichen Einstellung kann sich manch anderer eine Scheibe abschneiden. Andersrum gesagt: Andy Murray, ein Class-Act!