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Atemberaubender Pallitsch, auch wenn Gänsehaut-Finish ohne Medaille blieb

Bevor morgen König Fußball das Zepter mit der Europameisterschaft in Deutschland übernimmt, bevor also auch die SchwimmerInnen in Belgrad zumindest solche Wellen schlagen müssen wie die Leichtathleten mit la Ola in Rom, damit sie die Medien erobern, möchte ich noch einen Rückblick auf den finalen Abend dieser LA-Titelkämpfe werfen. Weniger auf Armand Duplantis, den schwedischen Überflieger amerikanischer Herkunft, für den sechs Meter das Normalmaß scheinen. Auch nicht auf Malaika Mihambo, das neue Nonplusultra im Weitsprung aus deutschen Landen mit afrikanischen Wurzeln. Und auch nicht auf den erst 23jährigen Wikinger-Wunderknaben Jakob Ingebrigtsen, der im Olympiastadion am Foro Italico im 1500m-Finale machte, was er wollte.

Aber in eben diesen Lauf hab´ ich als alter Hase, der seit den 60er-Jahren einige Dutzend an LA-Großereignissen nicht nur via Fernsehen, sondern auch vor Ort verfolgt hat, einen geradezu einzigartigen Kraftakt eines Österreichers erlebt, der fast noch zu einer Medaille geführt hätte. Wie der 34-jährige Spätzünder Raphael Pallitsch von der letzten Kurve weg das Feld in einem atemberaubenden Sturmlauf aufrollte, wie er ganz so, als  hätte er einen Overdrive eingelegt, sich von Platz 14 weg auf den letzten  hundert Metern einen Gegner nach dem anderen schnappte, um als Sechster in 3:33,60 Sekunden die Bronzemedaille nur um 0,26 Sekunden, die Silberne um drei Zehntel, also nur um ein, zwei Wimpernschläge, zu verpassen, die direkte Olympia-Qualifikation gar nur um ein Zehntel, das hatte Gänsehaut-Charakter. Ja, der Mittdreißiger war auf der Zielgeraden sogar schneller als der Jung-Twen aus Norwegen, der bereits seinen dritten EM-Doppelpack (1500, 5000m) mit dem halben Dutzend an Goldmedaillen holte.

Welch eine Lektion des karenzierten Lehrers, der einer chronischen Zehnverletzung wegen seine erste Karriere vor acht Jahren gegen ein Mehrfach-Studium (Sport, Religion, Ethik) hatte tauschen müssen, aber im Pandemiejahr 2020 als 30-jähriger dann ein offensichtlich schmerzfreies Comeback startete, mit dem er nicht nur alte Rekorde löschte, sondern erst bei kleineren Meetings und jetzt auf einer der größten der LA-Welt demonstrierte, dass er es zumindest in Europa (wo es ja nicht nur bei den früheren Kolonialmächten vor Migrantenkindern wimmelt) mit den Allerbesten aufnehmen kann.

Und der in einem sehenswerten, unvergesslichen Endspurt auch den Beweis lieferte, dass es sich auszahlt, das Herz in die Hände – oder besser: die Beine – zu nehmen, um das Normalmaß zu sprengen. Das war die schönste. wegweisendste Kehrseite der um einen Hauch verpassten Medaille. Österreicher: Innen sind nicht nur in der Lage, weite und damit große Würfe zu landen, sondern mit Siebenmeilenstiefeln auch Meilensteine zu setzen!

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