Die Welt hat sich verändert. Und mit ihr die Fußballwelt. Sie geht mit Riesenschritten, um nicht zu sagen: Siebenmeilenstiefeln, über Klischees von gestern und vorgestern hinweg. Was vor 40, 30 oder sogar 20 Jahren noch gegolten hatte, zählt nicht mehr, zumindest nicht mehr in diesem Ausmaß, weil sich die Grenzen verschoben haben in vielfältiger Form.
Und so bitter es auch für einen viermaligen Weltmeister und selbsternannten WM-Favoriten ist, es hat halt (leider) wieder die Deutschen getroffen. Zum zweiten Mal in Folge müssen sie die Koffer packen, wieder dort, wo sie sich – tatsächlich oder hineinprojiziert und interpretiert – nach allen Berichten in echten oder sozialen Medien – von Anfang an nicht sehr wohl gefühlt haben sollen. Vor vier Jahren bei den Russen. Jetzt bei den Katari, ganz so, als wär´s hinterlistige Rache.
Wie gesagt, die Grenzen und damit auch die Parameter im Fußball haben sich verschoben. Und viele publizierte, aber doch ungeschriebene Fußballgesetze haben sich ins Gegenteil verkehrt, darunter auch der Spruch des einstigen England- und Barcelona-Torjägers Gary Lineker, der gesagt hatte: Fußball ist ein einfaches Spiel, in dem 22 Mann dem Ball nachrennen, aber am Ende gewinnen immer die Deutschen!
Das war einmal. Das klingt nach Märchen und ist inzwischen auch eines. Mittlerweile ist´s ja so, dass am Ende immer die Deutschen verlieren – sogar dann, wenn sie wie jetzt in Katar gewinnen. Und zwar deshalb, weil die Söhne Nippons ihr Schicksal waren, jene Japaner, gegen die sie zum Auftakt ins grüne Gras gebissen hatten und die dann mit dem späten, noch dazu umstrittenen VAR-Siegestor gegen die Spanier ihr WM-Aus besiegelten. Ja, solche Rösselsprünge kann der Ball machen, ganz so, als wäre – frei nach Max Merkel – ein Frosch drin, der Könige von gestern in Bettler von heute verwandelt.
Niemand sagt, dass auch andere Geheim- oder gar Titelfavoriten wie Belgien, Dänemark oder auch Uruguay schon weg vom Fenster sind und ein Exweltmeister wie Italien es gar nicht bis zum Persischen Golf geschafft hat. Geteiltes Leid ist da nicht halbes Leid, ganz und gar nicht. Ich würd´s sogar so umkehren wie die längst von der Aktualität und Realität überholten Paradigmen im Weltfußball. Wenn man sich die medialen Reaktionen rund um den Globus durchliest, die betroffenen Deutschen inklusive, so hat man eher schon das Gefühl, dass da einerseits die Schadenfreude, andererseits der Frust wie Volkszorn doppelt groß sind.
Aber wie schon im nächtlichen Schnellschuss-Blog von gestern erwähnt, so wird´s Zeit, dass das überkommene Establishment endlich merkt, dass die Uhren langsam, aber sicher anders gehen, sonst stünden ja nicht die US-Amerikaner, die Australier, die Japaner und die Marokkaner statt der einstigen Groß- oder gar Mehrfach-Siegermächte im WM-Achtelfinale. Die ehedem als „Bloßfügige“ abgestempelten Mannschaften leben immer mehr auf großem Fuß, während die Alteingesessenen immer öfter der Schuh drückt. Aber warten wir ab, was in diesem für die Deutschen fatalen, verdammten Katar noch alles kommt oder auch nicht.
Gary Lineker übrigens hat es sich als TV-Kommentator, der zu WM-Zeiten die neue Golf-Liebe gegen die alte mit dem runden Nicht-mehr-Leder tauscht, nicht verkneifen können, sein Zitat aus 1990 um einen Zusatz zu erweitern: „Fußball ist ein simples Spiel, in dem 22 Mann dem Ball nachlaufen, aber am Ende gewinnen immer die Deutschen. Aber immer nur dann, wenn sie die Gruppenphase überstehen!“ Ja, wer den Schaden hat, brauch für den Spott nicht zu sorgen. Merk´s Hansi, entgeisterter, entzauberter Teamchef. Nichts ist schlimmer, als wenn man vom Goldschmied träumt und am Ende steht man als Flick-Schuster da…