Radsport

Entthronter Kannibale und dänischer Tour-Sieger, der mit Supplement ins Doping-Gerede kam

Mit allzu gewagten oder vermeintlich unwiderlegbaren Prognosen und Ankündigungen ist es so eine Sache. Kaum  hatten sich die an Radsport interessierten Tour-de-France-Fans daran gewöhnt, dass erstens einmal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen anders als in Eurosport und ARD/ZDF nichts live übertragen und der größte aller Rundfahrtklassiker sowieso fest in slowenischen Händen (oder Pedaltritten) ist, da ist doch alles anders gekommen. Nein, nein, der ORF blieb abseits von Kurzmeldungen seiner Linie treu, dafür muss sich der vermeintlich unschlagbare, siegeshungrige, unersättliche Kannibale Tadej Pogacar verschluckt haben.

Kaum wurde er als neuer Eddy Merckx, Beiname Kannibale, in den Radhimmel gehoben, schon ging´s durch die Hölle – und je mehr bergauf, desto öfter bergab mit dem Jung-Twen jenseits der steirisch-kärntnerischen Grenze. Nicht Pogacar feierte den Hattrick-Sieg, vielmehr spielte er am Ende nur noch die zweite Geige zum Dänen Jonas Vingegaard, auch erst knappe 26, der ihn als Tour-de-France-Sieger entthronte – als zweiter Däne ein Vierteljahrhundert nach dem umstrittenen Bjarne Riis aus dem Ullrich-Telekom-Team.

Pogacar (l.) fehlte solch ein Edeldomestik wie Pujnkteisger Van Aert für Vingegaard,

Und es hat weder mich noch sonst Tour-Interessenten gewundert, dass mit dem bubenhaft wirkenden Vingegaard und seinem treuesten Leutnant wie auch besten Zeitfahrer Van Aert auch sein Jumbo-Wisma-Team ins Visier der Kritik(er) geraten musste. Und warum? Weil der Tour-Sieger und die anderen Helden seines Teams, die ihn beschützt und begleitet haben, als tägliche Zusatznahrung auch Ketone schlucken – ein zumindest derzeit noch erlaubtes, also keineswegs verbotenes Supplement. Ja, da gehen da und dort bei den Gutesten der blauäugigsten Gutmenschen die Wogen hoch, weil eine Tour ohne Doping offensichtlich auch so etwas wie eine mediale Tortur ist, die man nicht dulden darf und kann.

Das allerdings erinnert mich an die unselige Blutbeutel-Affäre um die österreichischen Langläufer und Loipenjäger nach Olympia 2002 in Salt Lake City, wo man vor allem in der Heimat nicht müde wurde, die eigenen Leute als Kriminelle an den Pranger zu stellen. Ja, damals ging´s richtig rund und dem Mayer-Walter an den Kragen, obschon sich alles in Wahrheit bei näherer, aber schamhaft pauschal verschwiegener Begutachtung als hochgeputschtes Hornberger Schießen herausstellen sollte. Der wahre Skandal nämlich war jener, dass die skandalisierte Methode mit den UV bestrahlten Blutbeuteln damals noch keineswegs illegal gewesen war, sondern erst 2010 /11 von der WADA auf die Dopingliste gesetzt wurde. Im Gegensatz zu fetten Skandal-Schlagzeilen blieb´s Kleingedrucktes. Wie Jahre später der italienische Komplett-Freispruch für den gejagten Gottseibeiuns, der Mayer hieß…

Aber ob vorgestern oder heute und morgen – sogenannte Bad News verkauft sich halt besser als besserer Durchschnitt. Das, werte Blog-Leser, ist immer mehr der Trend einer Zeit, die geradezu nach Negativa lechzt. Und damit müssen wir, aber auch der neue, immer noch junge dänische Tour-de-France-Sieger Jonas Vingegaard leben und fertig werden. Und wer anderen die Butter vom Brot nimmt, muss erst recht damit rechnen, dass er sich damit mehr Feinde als Freude schafft. Nur zu hoffen, dass es sich a la longue um einen  temporären Zeitgeist handelt…

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