Allgemein

Jochen Rindt, der legendäre Bilderbuch-Held

Es ist zwar 50 Jahre her, aber unsereins erinnert sich an dieses verlängerte, schreckliche erste September-Wochenende des Jahres 1970, als wär´s gestern gewesen. Die rotweißrote Sportnation stand damals binnen 48 Stunden gleichsam unter Schockstarre. Dass unser aller „Hansee“, Box-Europameister Orsolics, zum Entsetzen von 17.000 Fans in der Wiener Stadthalle im vermeintlichen WM-Aufbaukampf gegen den US-Exweltmeister Eddie Perkins schwer K.-o. gegangen war, das bedeutete schlussendlich nicht mehr als nur eine schmerzhafte Watsch´n für die heimische Sportseele. Kaum war der erste Schlag verdaut, da schlug das Schicksal am folgenden Samstag, 5. September noch viel brutaler, noch weit grausamer zu. Jochen Rindt in Monza schwer verunglückt, so lauteten die ersten Meldungen, die damals über die Fernschreiber ratterten, via Radio verbreitet wurden und auch schon über TV-Bildschirme flimmerten.

Die kurze Hoffnung, er könnte den Unfall in der gefürchteten Parabolica überleben, wurde wenig später von der Eilmeldung ausgelöscht, der WM-Führende wäre im Spital seinen Verletzungen erlegen. Wie so vieles in der Formel 1, so war auch diese Nachricht getürkt, zumindest hat das einer wie Jackie Stewart behauptet, damals in einem March-Cockpit statt Tyrrell und davor in Barcelona sogar noch Lotus unterwegs. Jochens Bein, so Stewart, wäre so gut wie abgetrennt gewesen, er hätte aber nicht mehr geblutet, also hätte sein Herz schon vorm Transport ins Spital nicht mehr geschlagen. Und es schien damals in Monza und später beim Begräbnis in Graz, als hätte der Tod des erst 28-Jährigen, charismatischen, unverwechselbaren, steirisch näselnden Grazers der Grand-Prix-Szene das Herz herausgerissen!

Nach dem Tod seiner Eltern, die im Bombenhagel des Krieges umgekommen waren, wuchs Rindt bei den Großeltern in Graz auf, besaß zwar einen deutschen Pass, fuhr aber mit österreichischer Lizenz – und betrachtete sich selbst vom Scheitel bis zur Sohle als Österreicher, Steirer und Weltbürger. Jochen war alles, nur kein Kind von Traurigkeit, auch der Schalk saß ihm oft im Nacken. Man spielte sich unter Formel-1-Piloten, einer ganz anderen Generation als der heutigen, die von Computer und Telemetrie diktiert wird, gegenseitig noch Streiche. Aber im Ernstfall, dann also, wenn´s ums Eingemachte ging, ums Rennfahren, regierte mit Talent, Leidenschaft und großer Risikobereitschaft auch höchste Professionalität. Jochen, 28 und mit Nina verheiratet, einer Schönheit aus Finnland, wusste um das hohe Risiko und die Gefahren, in die er sich mit dem Colin-Chapman-Lotus begeben hatte – nicht erst seit dem oder besser: den Unfällen mit dem extrem schnellen, aber auch extrem defekt-anfälligen Lotus beim Großen Preis in Barcelona.

Damals war noch ein Schutzengel mitgefahren bei Graham Hill und auch bei Jochen. Aber wie alle Piloten dieser Zeit, so verdrängten Temporausch, Siegeslust und die unterbewusste Vorspiegelung von Unantastbarkeit alle Bedenken. Rennsport als Männersache, die vielleicht Respekt, aber keine Angst kennt, so lautete für die Fahrer der Königsklasse die Devise frei nach dem Kästner-Motto, dass das Leben halt lebensgefährlich sei. Ob der Unfallteufel von Monza in einem technischen Gebrechen steckte, vermeintlich in einem Bremsdefekt, ob Colin Chapman, der legendäre Mister Lotus, mit dem Mut seiner Piloten zum Risiko frivol gespielt hatte – darüber wurde noch lange und letztlich ergebnislos diskutiert. Da war längst Gras über Jochens Grab in Graz gewachsen, auch heute noch eine Pilgerstätte für seine Fans.

Jochen Rindt, das war mit seiner Nase, seinem Gesicht, seinem Wesen und seinem Fahrstil bis in den Tod, eine geradezu klassische Heldenfigur wie aus dem Bilderbuch. Und darum auch schlossen ihn die Formel-1-Fans aus aller Welt in ihr Herz. Und natürlich die Österreicher, für die er als echter Grazer trotz deutschem Pass stets als einer von ihnen und uns betrachtet und verehrt wurde. Auf einer Stufe mit einer Ikone wie Toni Sailer und, siehe Sapporo-Skandal, einem Karl Schranz. Er war schon eine Legende zu Lebzeiten. Und er blieb es als erster österreichischer Weltmeister der Formel-1-Geschichte, obwohl nur posthum,  über seinen Tod hinaus bis heute. Wer weiß, ob es ohne ein Vorbild wie Jochen Rindt jemals einen Niki Lauda gegeben hätte … ?

Bildnachweis: Wikipedia.

Zum Kommentieren hier klicken

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Meist gelesen

To Top

Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen ein angenehmeres Surfen zu ermöglichen