Tennis

Kunst der Champions: Schlecht spielen, aber gewinnen

reuters

Fast hätte ich mich mit meiner Einschätzung geirrt, dass der Alleskönner Thiem nur den Overdrive einlegen muss, wenn Gefahr im Verzug ist. Aber schlussendlich konnten er, das Thiem-Team und alle Dominator-Fans nach gut dreieinhalb, teils dramatischen, teils ernüchternden Stunden gegen den 1,73, kleinen Franzosen Hugo Gaston durch- und aufatmen;: Gut is gangen, nix is g´schehen! So ist es, ist´s aber wirklich so? Mag schon sein, dass der Weltranglistendritte nach zwei trotz vieler Schwachunkte gewonnenen Sätze die vor den French Open in ATP-Turnieren noch sieglose Nr. 238 der Welt unterschätzt und nie daran gedacht hatte, dass er selbst ein Wawrinka-Schicksal erleiden könnte.

Das ändert aber nichts daran, dass der ansonsten und bis dahin auch in seinem Wohnzimmer Roland Garros so schlagfertige wie schlagkräftige Niederösterreicher nicht nur mit seiner Fehlerhaftigkeit den kleinen Franzmann ähnlich groß gemacht hat wie in der Runde davor der dreifache Grand-Slam-Sieger aus der Welschschweiz  – mit dem kleinen, wichtigen Unterschied allerdings, dass Thiem am Ende gottlob doch noch gewonnen und nicht verloren hat ie Stan the Man Was am vordem so souveränen US-Open-Sieger im Duell mit der unbekannten, kleinen Größe Gaston aber besonders irritierte, das waren gleich einige Punkte, die ihm Punkte und um ein Haar auch das Match und Viertelfinale gekostet hätten.

Natürlich stimmt, dass Thiem als „Counterpuncher“ von Format gilt, aber musste er trotzdem als Return-Spieler gegen einen Gaston ein paar Meter hinter der Grundlinie stehen, als wär´s gegen eine Aufschlagkanone bzw. einen Assen-König gegangen? Kein Wunder, dass er dann „gefühlte 400 Mal“ mit Stopps ans Netz geholt und damit an den Rand der Verzweiflung gebracht wurde. Und natürlich weiß man oder wusste auch der junge Franzose, dass Thiem über knallharte Grundschläge verfügt, die der 20-Jährige auch angesichts der immer noch feuchten Bedingungen und schweren Bälle aber immer wieder und immer öfter entschärfen konnte. Und wo, so fragte sich nicht nur unsereins, sondern auch eine Reihe von Tennisfans, blieb denn da der taktische Plan B, als er sich immer schwerer tat mit seinem Plan A? Mitunter entstand ja bereits der Eindruck, als legte er sich selbst mit glücklosem Spielaufbau ein Ei. Aber letztlich war´s doch das Quäntchen mehr an Können und Klasse, das dem zweimaligen Paris-Finalisten wider aller Verunsicherung, wachsender Selbstzweifel bis hin zur unübersehbaren Ratlosigkeit zum 5-Satz-Sieg und ins Viertelfinale verhalf.

Trotz beim stabil-konstanten Dominic selten erlebter Formschwankungen gab´s also ein Happy End mit der Erkenntnis bzw. auch Hoffnung, dass er im Ernstfall auch ohne Asse über ein Atout verfügt, das da lautet: Schlecht spielen, aber doch gewinnen! Das ist die spezielle Kunst, die nicht nur, aber vor allem Tennis-Champions auszeichnet. Nicht, aber fast immer, wenn es in höchster Not ist, schlägt das „Imperium“ zurück. Wäre auch im Viertelfinale gegen seinen den alten Freund und Sparringpartner Diego Schwartzman wichtig, der noch kleiner ist als der Laufmeter Gaston, ihn aber an Klasse, Routine und Selbstbewusstsein bei weitem überragt. Jedenfalls wird´s eine harte Nuss und ein Fight auf Biegen und Brechen. Man darf gespannt sein, welche Lektionen Thiem aus dem 5-Satz-Krimi gelernt hat.

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