Ich weiß nicht, ob es meine geneigten Blog-Leser goutieren, aber angesichts der Meetings im olympischen Countdown zu Tokio möchte ich mich einmal mit der Leichtathletik auseinandersetzen. Und auch mit der Art und Weise, wie heutzutage Leistungen medial kommentiert werden. Womit wir beim jungen Norweger Karsten Warholm sind, der beim Diamond-League-Heimrennen in Oslo (Bislet-Stadion) nach fast 30 Jahren den seinerzeit phänomenalen 400m-Hürden-Weltrekord des US-Olympiasiegers ´92, Kevin Young, geknackt hat. Was heißt da geknackt? Nach 29 Jahren, so lese ich, hat das norwegische Supertalent die alte Young-Bestmarke pulverisiert! Jawohl, pulverisiert!
Wer das hört oder liest, der würde meinen, Warholm wäre Young mit Siebenmeilenstiefeln um eine halbe Sekunde oder mehr beim „Pulverisieren“ davongelaufen. Aber was ist am Ende daraus geworden? Acht Hundertstel, also 0,08 Sekunden, ein Wimpernschlag schneller nach 29 Jahren. Was aber weder den Norweger noch seine Leistung noch den neuen Weltrekord abwerten, sondern nur den Sinn für Realität schärfen soll. Abwarten, ob auch Warholm seiner Zeit um fast drei Jahrzehnte voraus ist, wie es einst ein Kevin Young bei seinem goldenen Sturmlauf in Barcelona gewesen war. Und da hab´ ich, mit Verlaub, eher meine Zweifel.
Wenn wir schon beim Realitätssinn sind, so übt sich unsere kolossale Diskus-Hoffnung Lukas „Luki“ Weißhaidinger ganz bewusst in Understatement – schon deshalb, damit man ihm vor den Tokio-Spielen nicht den Mühlstein eines sicheren Medaillenanwärters um den Hals hängen kann. Kaum hatte er in Eisenstadt den 70er gestreift und einen drüber nur übertreten, schon tritt der Riese aus Oberösterreich auf die Euphorie-Bremse. Nicht etwa, dass aus ihn Enttäuschung sprechen würde, nur Dritter mit einer guten und im „Shoot-Out“ um den Sieg schwachen Weite im Elite-Feld geworden zu sein, ganz im Gegenteil. Runterspielen, so weit es geht, ist jetzt angesagt, damit die (Erwartungs-)Bäume nicht in den Himmel wachsen. Obschon er mit knappen 66 und dann 62m ziemlich weit vom besten Luki entfernt war, den es schon gab, sprach er angesichts der Trainingsphase von „sensationeller“ Leistung, an die er beim nächsten Diamanten-Meeting in Stockholm anknüpfen wolle, damit wäre er schon mehr als zufrieden.
Eine kalkulierte Bescheidenheit, von der sich andere heimische Sportler eine Scheibe abschneiden sollten. Damit, so ließe sich augenzwinkernd sagen, könnte es dem aktuellen WM-Dritten und international besten österreichischen Leichtathleten tatsächlich fünf vor 12 gelingen, die allzu hochfliegenden Medaillenspekulationen und allzu optimistischen Vorschusslorbeeren vor Tokio noch schnell zu „pulverisieren“, um im nicht erhofften glücklosen Ernstfall keine bittere Pille schlucken zu müssen. Und damit alles auf ein realistisches Normalmaß reduzieren, dass es in Sportarten wie LA oft Augenaufschläge oder wie beim Diskus nur Zentimeter sind, die über Gefeiert oder Gejeiert entscheiden. Alles andere ist absoluter Mumpitz. Wie der von Warholm „pulverisierte“ Young-Weltrekord…