Nicht über den Wolken, wie einst Rainhard May sang, sondern darunter muss die Freiheit wohl grenzenlos sein für die tollkühnen, wagemutigen, unerschrockenen Skiflieger. Welch ein atemberaubendes Spektakel, das uns die Weltbesten da auf dem Riesenhügel von Planica nahe Kranjska Gora da an diesem finalen Weltcup- und Flug-Wochenende bieten. Und welch ein Quantensprung, nein: Quantenflug, den sie da in einem halben Jahrhundert hinter sich gebracht haben.
Ich war einst dabei, als der unvergleichliche Schanzen-Ästhet Toni Innauer anno 1976 am Zeigefinger Gottes in Oberstdorf für seinen Weltrekordflug von 176m und einen weiteren über 170m mit fünfmal Traumnote 20 als Himmelstürmer gefeiert wurde. Und ich war dabei, als Armin Kogler ebendort dann mit 182m eine neue Dimension eröffnete, die heutzutage wie ein Rekord von Vorvorgestern anmutet, der sogar von Kasachen und anderen Exoten erreicht oder überboten wird. Und es ist inzwischen keine 30 Jahre her, dass Andi Goldberger als erster Mensch die 200m erreicht, aber nicht gestanden, sondern in den Schnee gegriffen hat – also nicht regelkonform und darum ungültig.
Anders als in anderen Sportarten, man nehme ganz einfach nur den 100m- Königssprint, in dem man mit einer (von bisher keinem Österreicher erreichten) Zeit um oder knapp unter 10,0 Sekunden immer noch Weltspitze ist, wurde im Skispringen ein Höhenflug eingeleitet, der seinesgleichen sucht. Das hat natürlich nicht nur mit den Athleten zu tun, die seit den damals revolutionären Preiml-Impulsen der 70er-Jahre anders und viel besser trainiert oder „abgestimmt“ sind auf die Herausforderungen, sondern auch mit den neuen, viel, viel besseren Rahmenbedingungen.
Auch wenn da und dort, wo sich Skispringen in Nichts aufgelöst hat (Iron Mountain, USA, und Harrarachov, Tschechien) die Flugschanzen nicht mehr in Betrieb sind, so wurden die anderen Riesenhügel schon der Rekordwut, Sensationslust und Superlativsucht wegen um- und ausgebaut wie am Kulm, in Vikersund, Oberstdorf und Planica, dem verbliebenen Quartett. Aber mit der Modernisierung der Flugschanzen ging auch eine immer weitere Materialentwicklung sozusagen Meter für Meter quasi Hand in Hand – vom Ski über Schuh, Bindung bis zu den Anzügen und anderen Accessoires.
Und wie uns die Überflieger von heute vorgehupft haben, angeführt vom Weltrekordler, Exweltmeister und Wieder-Planica-Sieger Stefan Kraft, verkürzen sie sogar freiwillig den Anlauf, um trotzdem an die 240 Meter zu segeln, als wär´s die einfachste Sache der Welt. Das immer bessere Zusammenspiel von austrainierten (mitunter ausgehungerten, aber erfolgsgierigen) Sportlern, ihrer optimierten Technik und den viel, viel besseren technischen Voraussetzungen haben diesen Quantensprung oder besser Flug in ganz andere sportliche Sphären ermöglicht.
Ob nach den 250 m (Kraft 253,5/Vikersund) auch die 300m ein visionäres Ziel werden könnten, wage ich nicht zu beurteilen. Wenn ich an die gottlob nur spektakulären, aber doch nicht folgenschweren Stürze wie jenen des Norwegers Tande erinnere, dann sollte eine gewisse Vorsicht doch die Mutter aller Weisheit bleiben. Wie schon die griechische Mythologie sagt, soll Ikarus zum Entsetzen seines Vaters Dädalus deshalb ins Meer gestürzt sein, weil die Flügel unter der Sonne schmolzen. Merks: Übermut tut selten gut!