Standing Ovation. Begeisterungssturm. Sprechchöre. Jubelrufe. Fahnenschwingen. Vamos- und Gracias-Banner. Und nach kurzer Einführung des Siegers war dann der Verlierer am Wort, das nicht mehr ganz so mobile lebende Denkmal seiner unwiederholbaren Taten selbst, das im wahrsten Sinn des Wortes als bald 38ähriger auch schon Haare lassen musste: Rafael Nadal, einer wie keiner je zuvor in seiner erst bubenhaften, dann junger Wilde- und später heroischen Mannesart. Auch einer wie kein anderer, der Tennis in einer Art und anfangs auch in einem Outfit spielte wie man das noch nie erlebt hatte. Noch dazu als Rechtshänder mit der Linken, weil man dem spiel- und sportfreudigen Buben aus Manacor auf der Baleareninsel Mallorca das Racket in die linke Hand gedrückt hatte. Und das ging ihm automatisch in Fleisch und Blut über…
Am Tag, als er wohl Abschied von den French Open nahm, nicht aber von Roland Garros, weil er sich das Hintertürchen offen ließ für Olympia in zwei Monaten, da spürte man keinen Hauch an Frust, sondern nur Dank fürs Himmelgeschenk, nach allen mehr oder weniger leidvoll-schmerzhaften Wehwehchen fit genug gewesen zu sein für dieses einzige im „Wohnzimmer“ verlorene Erstrundenmatch gegen eine wahrlich große Nummer.
Ja, welch Größe eines Mannes, der hier Maßstäbe – das wage ich zu prophezeien – für die Ewigkeit gesetzt hat mit 14 Turnier-Triumphen und 112 Siegen bei nur drei Niederlagen, weil die vierte eine kampflose wegen Verletzung war. Ja, diese Bilanz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Aber Sandplatzkönig nicht nur in Paris hin oder her – Rafael Nadal hat seine sportliche Metamorphose auch mit Triumphen auf Rasen (Wimbledon) und Hartplatz (Melbourne, Flushing Meadows) ebenso demonstriert wie bei Turnieren auf Teppich.
Und wer den mit sich im Reinen befindlichen Enddreißiger vor sich sah mit dem Mikrophon und dem fließenden Englisch, der erinnerte sich an den lausbubenhaften Rafa, der vor fast 20 Jahren englische Brocken mit Spanisch mischte, und der damals, als es in Spanien noch Stierkämpfe gab, wie ein Tennis-Torero auf der Bühne erschien – ganz so, als wäre er bereit, auf Leben und Tod in ganz spezieller, knielanger, weißer Montur zu kämpfen. Nein, nein, er war kein eleganter Stilist, sondern ein unbarmherziger, gegen sich selbst gnadenloser Fighter, der sich dermaßen in Herausforderungen verbiss, dass er damit Gegenüber fertig machte.
Als perpetuum mobile begann´s darum aber auch von Kopf bis Fuß immer öfter zu zwicken bei ihm, paradoxerweise am wenigsten allerdings beim Handgelenk, obschon es nach Björn Borg sicher keinen Tennisstar gab, der mit einem derart ausgeprägten Topspin mit hohem Drall und Absprung die Gegner in die Defensive wie Fehler zwang und so auch zur Verzweiflung brachte. Den Schönheitspreis überließ er seinem Tennisfreund Federer, mit dem er sich an der Spitze der Welt ablöste, bis der Djoker kam, der übrigens beim letzten Hurra (?) auf der Tribüne klatschte, ehe er heute selbst dran ist.
Gut 20 Jahre und ein bisschen mehr nach dem unaufhaltsamen Aufstieg der glorreichen Drei, die zusammen 66 Grand-Slam-Titel und fast 300 Turniere gewonnen haben, sind wir nun Zeugen eines schon vollzogenen Abgangs oder sich vollziehenden Schwanengesangs, zu dem als Vierter im Bunde auch der Doppelolympia- und Wimbledonsieger Andy Murray gehört. Sie haben länger als alle Vorgänger das Geschehen dominiert, ohne es zu revolutionieren.
Jeder auf seine eigene Art, wobei jene des Rafael Nadal mit all seinen Ritualen und Macken, dem Zupfen am Hoserl, dem Wischen im Gesicht und dem verzogenen Mundwinkel ein so einzigartiges Alleinstellungsmerkmal bleibt wie seine spektakulären Schläge, Schlachten, jawohl: sportlichen Schlachten und Siege. Einziger Wermutstropfen aus heimischer Perspektive war nicht nur, dass er zweimal Dominic Thiem Im French-Open-Finale besiegte, sondern trotz einer vorherigen Zusage nie beim Turnier in der Wiener Stadthalle live zu bewundern war. Aber wer weiß, was Herwig Straka in Paris noch schafft? Doppel-Farewell Thiem und Nadal? Sag niemals nie!